Viel wird über die Frauen gesagt und geschrieben, die auf der Kurfürstenstraße ihrem Gewerbe nachgehen.
Wir glauben, dass die Berichte der Frauen darüber, wie sie selbst ihren Lebensalltag in und um die Kurfürstenstraße sehen und was sie bewegt, nicht vergessen werden sollten. Mit freundlicher Genehmigung des Frauentreff OLGA veröffentlichen wir seit März 2020 in unregelmäßiger Folge Auszüge aus der Projektbroschüre PHOTOVOICE.
Heute geben wir Sonya eine Stimme
Dieses Spiel spiele ich sehr oft mit einer anderen Frau im Olga. Das ist meine Methode mich zu erholen. Ich spiele gut und gewinne oft, aber es geht mir dabei nicht ums gewinnen. Meine Freundin kann nur dieses Spiel, deswegen spielen wir immer das. In Bulgarien habe ich keine Zeit zum Spielen. Dann arbeite ich tagsüber und wenn ich fertig bin, besuche ich meine Leute. Ich war aber seit 6 Jahren nicht mehr in Bulgarien. Mir fehlen meine Freunde, die Familie und mein Haus dort. Das habe ich hier alles nicht. Ich bin wegen Geld hier und um meine Familie zu unterstützen. Wenn ich auf der Straße bin, bin ich immer angespannt. Vor allem in der letzten Zeit, weil es sehr wenig Arbeit gibt. Wenn ich wieder keinen Schlafplatz oder kein Geld für ein Hotel habe, komme ich ins Olga und schlafe während der Öffnungszeiten. Wenn ich hier schlafe, dann fühle ich mich viel ruhiger. Meistens schlafe ich mit einer Freundin zusammen im Bett.
Mehr Betten wären gut, denn hier sind viele Frauen obdachlos und schlafen im Internetcafé. Der Besitzer ist das gewohnt und macht keine Probleme. Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen Bulgarien und hier. Hier kannst du ruhig arbeiten, in Bulgarien darfst du nicht einfach so auf der Straße stehen, dann kommt die Polizei und macht Stress. Meistens stehen die Frauen an der Autobahn. Sie müssen aus der Stadt raus. Am Anfang war es sehr schwierig mich an die Situation in Berlin
zu gewöhnen. Alle Leute können uns hier sehen, auch die Kinder. Das fühlt sich komisch an, aber ein Mensch gewöhnt sich mit der Zeit an alles. Ich bin alleine nach Berlin gekommen, aber ich kannte ein paar Frauen von früher und die haben mir dann alles erklärt. Sie haben gesagt, dass ich mich nicht zu schämen brauche, denn die Leute sind es gewöhnt, hier Prostituierte zu sehen.