Besuch aus Schweden: Die Nachkommen der Familie Unger

Es gibt Geschichten, die fangen mit einem Besuch der Nachkommen früherer Bewohner des Lützow-Viertels an, wie die der Familie Ledermann (mittendran ab dem 18. Dezember 2022 in sieben Teilen) – hier war es umgekehrt: Nach nunmehr drei Geschichten über die Unger-Klinik in der Derfflingerstrasse 21 (mittendran vom 20. März 2023, 14. Oktober 2023 und 24. August 2024) fand heute ein Treffen mit Nachkommen des Chirurgen Ernst Unger (1875-1938) statt. Benjamin Kuntz, der Leiter des Museums im Robert-Koch-Institutes, hatte dieses Treffen initiiert. Da es uns bislang nicht gelungen war, die Nachkommen des Sohnes Wolfgang Unger (1908-1998), der 1933 nach England emigriert war, aufzutreiben, hatte er Kontakt mit den Nachkommen der Unger-Tochter Irmgard (1909-1999), die den schwedischen Wissenschaftler Erik Lindahl geheiratet hatte und nach Schweden auswanderte. Deren Sohn Ulf Lindahl kam mit seiner Frau Brigitta sowie ihrer Tochter Karin und deren deutschem Ehemann Markus nach Berlin, um die sogenannte Unger-Klinik zu sehen, die von 1905 bis 1936 betrieben wurde und die heute Wohnheim des Berliner Studierendenwerkes ist (Bild 1).

Das Studierendenwerk hatte dem Besuch zugestimmt, der Hausmeister Rainer Plechata führte die Gruppe durch das frühere Klinikgebäude im rückwärtigen Teil des Grundstücks Derfflingerstr. 21. Nachdem die Gartenanlage vor kurzem vollständig neu angelegt wurde, zeigt sich das Haus im renovierten, eher noch bestens restaurierten Zustand. Man geht durch lange Flure, die noch heute an Krankenhaus erinnern (das Haus war nach dem 2. Weltkrieg neurologisch-psychiatrische Abteilung des Krankenhauses Moabit), das Treppenhaus ist definitiv 120 Jahre alt im Hinblick auf Design (Bild 2). Natürlich sind die früheren Funktionsräume (Küche, Wäscherei etc.) nicht mehr vorhanden, aber die großen Atelierfenster im Obergeschoss zeigen noch, wo früher – bei Tageslicht – operiert wurde.

Auch die großen Wohnräume der Familie Unger in der Beletage des Vorderhaus sind noch erhalten, wenn auch umgestaltet, und der lange Seitenflügel ist abgetrennt für weitere Zimmer von Studierenden. Eine Etage darüber wohnte die Familie Citroen, die wir in mittendran (13. März 2023) beschrieben hatten.
Beim anschließenden Spaziergang durch das Viertel konnten wir der Familie das eine und andere Detail in Tiergarten Süd erläutern, das Irmgard Unger-Lindahl in ihren Lebenserinnerungen festgehalten hatte. Beim abschließenden Besuch im Café des Carré Voltaire bekamen wir im Gegenzug viele private Fotos und Unterlagen der Familie Unger aus den 20er und 30er Jahren zu sehen, und das Versprechen, dass wir diese Unterlagen für weitere Recherchen und Publikationen zur Verfügung gestellt bekommen, wenn sich im kommenden Jahr der Geburtstag von Ernst Unger zum 150. Mal jährt.

 

Paul Enck

Schreibe einen Kommentar