Post aus Hamburg (Uwe Melichar) bzw. aus New York City (Ron Melichar) erreichte mich vor einiger Zeit mit der Frage nach einer amerikanischen Malerin, Anne Lawrence Gregory (1869-1929) (Bild 1), die 1893/4 in Berlin Station gemacht habe, um am Victoria-Lyceum in der Potsdamer Straße 39 (heute 98A) Kunstkurse zu belegen („oil painting, water colours and clay modeling“ (1)). Sie war danach über Paris, wo sie ihren zukünftigen Mann kennenlernte, Artus van Briggle (1869-1904) (Bild 2), zurück in die USA gegangen und hatte, gemeinsam mit ihm, in Colorado Springs eine später berühmte Töpferei begründet, die insbesondere für ihre Jugendstilarbeiten („art nouveau“), Tongefäße und -skulpturen, bekannt wurde (Bild 3). Nach Briggles Tod 1904 heiratete sie einen Schweizer Bergbau-Ingenieur, Etienne Ritter.
„Malweiber“ nannte man die vielen Künstlerinnen, die um 1890 herum immer noch nicht an der Kunstakademie studieren durften und deswegen auf privaten Unterricht und Ausbildung, z.B. im Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin (1867) (VdBKK) angewiesen waren (2). Allerdings war das Victoria-Lyceum keine Ausbildungsstätte für Künstlerinnen; wie wir neulich (mittendran vom 18. Mai 2024) gezeigt hatten, erhielten hier Frauen eine „höhere“ Bildung, um sie für eine weitere akademische Ausbildung zu qualifizieren. Was die junge Amerikanerin offenbar nicht realisiert hatte, war, dass die Unterrichtsräume des VdBKK (heute: Camaro-Galerie und -Stiftung) im gleichen Gebäude wie das Lyceum untergebracht waren, der VBKK aber eine eigenständige Institution war, die zeitgleich mit dem Lyceum gegründet worden und bis zum Jahr 1911, als der VdBKK an das Schöneberger Ufer zog, in den gleichen Gebäuden untergebracht war – seit 1919 nannte er sich Verein Berliner Künstlerinnen (VdBK).
Leider ist das Archiv des VdBK im Krieg vollständig zerstört worden, so dass die wenigen archivierten Unterlagen zu seiner Geschichte im Archiv der Akademie der Künste (3) keine Namen von Schülerinnen enthalten, auch wenn es umfangreiche Publikationen zu seiner Geschichte gibt (2,4), einschließlich Studienprogramme und Kurse. Es gab auch keinen formellen Abschluss der Ausbildung, was die weitere Suche nach Anne Gregory erschweren dürfte. Erfolgreicher war die Suche nach dem holländischen Architekten, der die Töpferei in Colorado Springs (Bild 4) entworfen hatte: Nicolaas van den Arend (1870-1940) wurde in Den Haag geboren, studierte Architektur in Leiden in den Niederlanden und lebte ab etwa 1895 in Köln, wo er eine ganze Reihe von Häuser entworfen hatte, die teilweise heute noch vorhanden sind (5). Um 1902 war er nach Amerika emigriert und hatte dort seine Karriere fortgesetzt – das ist jedoch eine andere Geschichte, die mit dem Lützow-Viertel nichts mehr zu tun hat.
Literatur:
1. Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Anne_Louise_Gregory_Ritter
2. Verein Berliner Künstlerinnen e.V. (Hrsg.): Käthe, Paula und der ganze Rest – ein Nachschlagewerk. VBK Berlin 1992.
3. Archiv der Akademie der Künste, Berlin: https://www.adk.de/de/archiv/index.htm
4. Dieter Fuhrmann (Hrsg.): Profession ohne Tradition. 125 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen, ein Forschungs- und Ausstellungsprojekt der Berlinischen Galerie in Zusammenarbeit mit dem Verein der Berliner Künstlerinnen. Kupfergraben, Berlin 1992,
5. Wolfram Hagspiel: Lexikon der Kölner Architekten vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert. (Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins e.V. 52). Wien/Köln 2022 (Band 1, S. 41).