Die Traditionsmarke aus der Kurfürstenstraße

„Was für den Anwalt sind die Klagen…“

… ist Bullrich-Salz für Darm und Magen.“ Bis heute zu den erfolgreichsten Apothekenprodukten in Deutschland zählend, hat die Marke Bullrich seit ihrer Einführung 1827 in Berlin eine ununterbrochene, aber turbulente Geschichte hinter sich.
In der Apotheke „Zum Schwarzen Adler“ in der Friedrichstraße 173 fand der junge Apotheker August Wilhelm Bullrich im Selbstversuch heraus, dass Natriumhydrogenkarbonat erfolgreich gegen Sodbrennen und generelles Magen-Unwohlsein angewendet werden konnte. Flugs etablierte er sein „Bullrichs Universal-Reinigungs-Salz“ auf dem Heilmittelmarkt. Der letzte Berliner Produktionsstandort und Firmensitz einer der wohl ältesten, noch existenten deutschen Marken befand sich in der Kurfürstenstraße 19. Hoch oben am Mietshaus wittern noch heute die blassblauen Blechformbuchstaben vor sich hin: A.W & C.W Bullrich Gegr. 1827.

Besonders seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Bullrich Salz, nicht zuletzt durch die massive Bewerbung in und an Verkehrsmitteln wie Pferde-, Straßen- und U-Bahnen, zu einer sogenannten generischen Marke, die sich sprachlich verselbstständigte. „Nimm Bullrich“ war nach der Einnahme von schweren Mahlzeiten um 1900 so geläufig wie das Einwecken von Obst mit Gläsern der Firma Weck oder später die Benutzung eines Fromms als Synonym für das Präservativ nicht nur eben jener Firma. Von einem  Papiertaschentuch in seiner blau-weißen Verpackung noch ganz zu schweigen …

Nach Bullrichs Tod im Jahre 1859 sind es Familien- und Erbstreitigkeiten, die das Unternehmen in der Kurfürstenstraße zwar erschüttern, aber der Popularität des Ur-Produkts keinen Abbruch tun. Aus der verzweigten Familie heraus wird eine Konkurrenzfirma gegründet, die unter C.W Bullrich weiter neben dem A.W. firmiert. Der Streit der rechtmäßigen und anspruchserhebenden Erben dauert 60 Jahre, bis im Jahre 1924 schließlich die Familie Spielhagen übernimmt. Diese führt das „Bullrich Salz“ von der Weimarer Republik bis 1945 zur weitreichendsten Vermarktung überhaupt. „Gut essen, gut kauen – mit Bullrich Salz verdauen“.

Reklamemarke, ausgehendes 19. Jahrhundert Quelle: Veikkos

Nach 1945 wird die Produktionsstätte von der Kurfürstenstraße nach Westdeutschland verlagert. Das Nachkriegsgeschäft dümpelt vor sich hin, aber immerhin wird produziert. Erst im Jahre 1982, mit der Übernahme durch ein hessisches Unternehmen wird das inzwischen etwas altbackene Heilmittel als Bioprodukt vermarktet und ist aus den heutigen Drogerien und Apotheken nicht mehr wegzudenken. Ob es auch in der nur wenige Meter entfernten „Kurmark-Apotheke“ in der Kurfürstenstraße 154 erhältlich ist? Die Leser:innen mögen es selbst herausfinden.

Marc-Thomas Bock (MTB)

Marc-Thomas Bock

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