Spaziergang in die Vergangenheit (18): Die Begas-Familie (Teil 3)

Im dritten Teil der Geschichte der Künstlerfamilie Begas geht es um den dritten Sohn von Carl Begas (1794-1850) und seine Frau Wilhelmine (mittendran vom 16. September 2024), Franz Eugen Adalbert Begas, der wie sein Vater und sein ältester Bruder Oscar Maler wurde, aber Zeichner und Kupferstecher werden sollte. Sowohl die persönlichen wie die künstlerischen Informationen über Adalbert sind in der Literatur äußerst dürftig, z.B. wird seine erste Ehe selbst in zeitgenössischen biografischen Darstellungen (1,2) unterschlagen, ganz zu schweigen von heutigen Publikationen (3,4), auch im Begas-Museum in Heinsberg (5). Sicherlich stand er – künstlerisch – auch im Schatten seiner älteren und berühmteren Brüder Oskar und Reinhold.

Adalbert Begas (1836 – 1888) zieht vom Karlsbad in den „Begas-Winkel“

Adalbert Begas, geboren am 8. März 1836, begann früh mit dem Zeichnen und sollte nach dem Willen des Vaters Kupferstecher werden (1), daher studierte bei Gustav Lüderitz (1803-1884) an der Berliner Kunstakademie, dem Berliner Großmeister des Kupferstichs (4). Adalbert Begas ging 1859-1860 zur weiteren Ausbildung mithilfe eines Stipendiums nach Paris, von dort 1862 nach Weimar, wo sein Bruder Reinhold – übergangsweise – eine Professur hatte, um im Atelier von Arnold Böcklin (1827-1901) Malerei zu studieren. Er ging schließlich nach Italien (Rom), und kam 1867 zurück nach Berlin als Porträt-, Genre- und Landschaftsmaler (Bild 1).

Bild 1: Foto von Adalbert Begas aus dem Jahr 1865 aus dem Studio von Loescher & Peetsch, Berlin, Leipziger Straße 114 (gemeinfrei).

Laut den Adressbüchern wohnte er in der elterlichen Wohnung Am Karlsbad 10 bis 1856 und zog im Jahr darauf mit Mutter und Bruder Reinhold in das Haus Am Karlsbad 13 (mitttendran vom 16. September 2024). Nach seiner Rückkehr aus Italien zog er zunächst in die Dessauer Straße 18, behielt aber das Atelier Am Karlsbad 13 bei. 1870 bezog er eine Wohnung am Lützowufer 13A und ein Atelier in der Potsdamer Str. 120, das frühere astro-meteorologische Institut des Rechnungsrates Schneider (heute etwa bei Nr. 61). Bereits 1873 bezog er die Villa-J in der Genthiner Straße 13 (heute 30-I), im sogenannten Begas-Winkel, der letztendlich nach ihm benannt wurde, allerdings lange nach seinem Tod 1888. Die Villa steht noch heute, erkennbar an dem großen Atelierfenster im Obergeschoss (Bild 2).

Bild 2: Foto der Villa J im Begas-Winkel mit dem großen Atelierfenster im 1. Stock. Das Foto ist aus der Villa gegenüber (Residenz im Begas-Winkel) aufgenommen worden (eigene Aufnahme).

Er heiratete am 24. Juni 1867 in Berlin (St. Lucas) in erster Ehe Caroline Guébard, die aus Frankreich stammte. Sie kam aus Ile de la Motte – Villeneuve-les-Avignon in Südfrankreich, wo sie am 14. April 1835 geboren wurde (6), Tochter des Kaufmanns Frederic Henri Guébard (Gebhard) und seiner Frau Marie Victoire Creus Y Soler. Mit 25 Jahren, am 24. April 1860, heiratete sie in Frankreich in erster Ehe Johann Friedrich Alexander Wolfart, einen Landrat und Rittmeister im 3. Landwehr-Husaren-Regiment aus Nauen (Brandenburg), der 28 Jahre älter war als sie, geboren 1807 in Warschau. Woher sie sich kannten, ist unklar, wahrscheinlich eher aus Berlin als aus Frankreich, das Aufgebot wurde jedenfalls auch in der Dreifaltigkeitskirche in Berlin bestellt. Caroline Guébard war allerdings nicht eine Angehörige der Hugenotten-Gemeinde in Brandenburg (7). Am 19. März 1861 kam ihr Sohn Jean Kraft Philippe Charles zur Welt und wurde in der reformierten französischen Gemeinde Berlins getauft. Unter seine vielen Taufpaten war Heinrich Freiherr von Ritzenstein (1796-1865), ein preußischer General der Infanterie aus Potsdam, sicherlich der bedeutendste der vielen Paten, darunter weitere Militärpersonen. Der Vater, Rittmeister der Husaren, starb am 30. Januar 1865 in Berlin im 58. Lebensjahr. Mehr als ein Jahr später heiratete die Witwe mit einem vier Jahre alten Kind Adalbert Begas; offenbar hatte sie ihn in Berlin kennengelernt.

Nach fast 10 Jahren Ehe starb sie am 21. März 1876 im Alter von knapp 41 Jahren an Herzvergrößerung und Herzklappenfehler – angesichts ihres jungen Alters wurde offensichtlich eine Autopsie durchgeführt, um zu dieser Diagnose zu gelangen. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Familie bereits in der Stadtvilla Genthiner Straße. Der noch minderjährige Sohn Jean, 15 Jahre alt, war einige Jahre später in der preußischen Armee in Königsberg (Ostpreußen), wo er eine militärische Karriere anstrebte, so wie sein Vater und sein Pate. 1895, nach seiner Militärzeit, war er Polizeikommissar in Metz, nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 die westlichste Garnisonsstadt Preußens (6).

Bild 3. Kirchenbuch-Eintrag (Ausschnitt) der Trauung von Ludovica von Parmentier und Adalbert Begas in Wien 1877 (Quelle: Ancestry).

Der Witwer Adalbert Begas heiratete am 17. Mai 1877 in Wien die Landschafts-, Architektur- und Stillleben-Malerin Ludovica von Parmentier (Bild 3), geboren am 15. April 1841 in Wien; ihr voller Name war Ludovica Maria Karolina Barbara Zoe von Parmentier, sie wurde aber in Berlin Luise genannt. Für beide war es die zweite Ehe, sie war bei der Hochzeit bereits 36 und er war 42 Jahre alt. Sie hatte – wie er – in Italien Malerei studiert und stellte seit 1876 auf der Berliner Kunstausstellung aus. Gemeinsam reiste das Ehepaar oft nach Italien, besonders häufig nach Capri und Venedig. Insbesondere die Aufenthalte in Venedig inspirierten Adalbert Begas zu realistischen genrehaften Szenen in venezianischem Kolorit (Bild 4). Adalbert Begas starb 1888 auf einer dieser Italienreisen bei Genua an einem Lungenleiden.

Bild 5: Halbakt eines italienischen Mädchens (1873, Öl auf Leinwand, 55,5 x 29,5 cm) (gemeinfrei)

Sein künstlerischer Nachlass ist keineswegs bescheidener als der seiner beiden – berühmteren – Brüder Oskar und Reinhold (mittendran vom 16. September und 13. Oktober 2024): Eine Sonderausstellung in der Königlichen Nationalgalerie von 1888, dem Jahr seines Todes, listet immerhin 141 Kunstwerke, die ausgestellt wurden, viele davon in Privatbesitz (2). Sucht man heute im Internet nach Bildern von Adalbert Begas, sind es nur sehr wenige, die öffentlich sind, auch im Begas-Haus in Heinsberg und deren Publikationen (5, 8). Wie viele Maler dieser Zeit war er (auch) Porträtmaler, und das bedeutete meist Auftragsmalerei gegen Bezahlung, um den Lebensunterhalt zu sichern. Solche Gemälde hängen meist in Privathäusern, und viele werden die Zeitläufe nicht überstanden haben, die Bombardierung Berlins 1944/5 oder die Änderung des Kunstgeschmacks, wenn eine neue Generation mit den Gemälden – und den Malern – nichts anzufangen wussten.

Seine Witwe (Bild 5) aber führte das Haus in der Genthiner Straße für mehr als 30 Jahre, malte, aber vor allem zelebrierte hier das, was man einen künstlerischen Salon nannte: Sie empfing das Who is Who der kaiserlich-deutschen Kunst- und Kulturszene und bewirtete sie mit Spagetti und Würstchen, wenn man manchen Geschichten Glauben schenken mag (9).

Bild 5. Luise Parmentier im Atelier, Foto um 1900 (Fotograf unbekannt, Quelle: (8), S. 117).

Literatur

  1. Ludwig Pietsch: Die Künstlerfamilie Begas. Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte, Band 59 (1886), Seite 529-544 und 625-644.
  2. XXVII Sonderausstellung in der Königlichen National-Galerie 2. Dezember – 20. Januar. Werke von Adalbert Begas und Wilhelm Riefstahl. Berlin, Ernst Siegfried Mittler & Sohn 1888.
  3. Irmgard Wirth: Die Künstlerfamilie Begas in Berlin. Achte Veröffentlichung des Berlin-Museums. Berlin 1968.
  4. Wolfgang Cortjaens: Oscar Begas 1828-1883. Ein Berliner Maler zwischen Hof und Bourgeoisie. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2017.
  5. Begas-Haus in Heinsberg: https://begas-haus.de/
  6. Alle genealogischen Angaben aus Ancestry.
  7. Verzeichnis der Mitglieder der Französisch-reformirten Gemeinde zu Berlin. Berlin, Selbstverlag des Consistoriums der Französischen Kirche 1886.
  8. Rita Müllejans-Dickmann,Wolfgang Cortjaens, Hrg.: Begas Haus Heinsberg. Band 2: Die Sammlung Begas. Köln, Wienand Verlag 2013.
  9. zitiert nach: http://www.navigare.de/hofmannsthal/abend.htm

Paul Enck

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