Alles, was ein Hotel braucht – und ein bisschen mehr

Wer das Hotel Berlin, Berlin vor dem Umbau 2018-2020 kannte, wird es kaum wiedererkennen. Klar, von außen sieht es fast so (triste) aus wie immer, aber wenn man/frau die Hotelhalle betritt, fehlt auf den ersten, und auch auf den zweiten und dritten, Blick der klassische Rezeptionsbereich, keine Schlangenbildung am Counter, um einzuchecken und den Zimmerschlüssel (die Schlüsselkarte) zu bekommen, stattdessen eine zentrale „Insel“ mit acht PCs, an denen der Gast selbst einchecken kann und die Zimmerkarte programmiert – und dezent präsente Mitarbeiter*innen helfen, wer sich dazu zu unerfahren (oder unwillig) anstellt. Was vermutlich unproblematisch ist, solange es um Einzelpersonen und Einzelprobleme handelt; Gruppen- und Veranstaltungsbuchungen brauchen mehr Aufmerksamkeit und Personal, und da kann es leicht zu Friktionen kommen, wie Erfahrungen belegen.

Das Hotel Berlin, Berlin im Jahr 1960 (Eingang an der Südseite) und im Jahr 2010 (Eingang an der Nordseite (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei).

Eigentlich wirkt der gesamte Erdgeschoss-Bereich (einmal abgesehen vom Veranstaltungstrakt ab) am ehesten wie ein Marktplatz, hier eine von allen vier Seiten offene Bar („Lütze“), dort Sitzecken, Sofas, Tische und Stühle unterschiedlicher Stilarten und Komfort-Grade, zum Essen, Arbeiten, Reden, Chillen; ein Innenhof-Café fernab des Straßenlärms des Lützowplatzes und der ihn umgebenden Straßen. Kunst, vornehmlich plakative „Wandmalereien“, die heute „Urban Art“ und „Murals“ heißen und Beziehungen herstellt zum nahen Nollendorf-Kiez, Video-Installationen, bunte Kunst-Bäume und -Räume, ein Königlicher Tischtennis-Club mit Kicker-Möglichkeit, eine Kunstgalerie oberhalb des Marktplatzes, ein Skating-Club auf dem Dach.

Der „Königliche Tischtennis-Club“ mit zwei TT-Platten und drei Tischfußball-Tischen.

Und was ist mit den Zimmern? Hier haben sich die Designer wirklich was Besonderes ausgedacht: Jedes Zimmer hat einen „Gastgeber“, 500 gegenwärtig in Berlin lebende Frauen und Männer, Promis wie Unbekannte, haben ihren Kiez, ihre Lieblingsorte in der Stadt, gezeigt, beschrieben, fotografiert, und das schmückt jeweils eine Wand in jedem der 500 Zimmer.

Wand eines Zimmers mit individuellen „Gastgeber-Informationen“ über einen von vielen Kiezen Berlins. Diese Wand ist in jedem der 500 Zimmer unterschiedlich.

 

Dadurch wird Berlin, Berlin eingebunden in aktuelle Stadtgeschichte, wird Teil davon. Was mir jedoch fehlt: Ein Gespür für den historischen Platz, auf dem das Hotel steht, das alte Lützow-Viertel, der Lützowplatz, als er sich schöner darstellte als heute. Es gibt viele Fotos im Hotel, die Kiez-Historie war nicht dabei, würde aber gut passen.

Paul Enck

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