Viel wird über die Frauen gesagt und geschrieben, die auf der Kurfürstenstraße ihrem Gewerbe nachgehen.
Wir glauben, dass die Berichte der Frauen darüber, wie sie selbst ihren Lebensalltag in und um die Kurfürstenstraße sehen und was sie bewegt, nicht vergessen werden sollten. Mit freundlicher Genehmigung des Frauentreff OLGA veröffentlichen wir seit März 2020 in unregelmäßiger Folge Auszüge aus der Projektbroschüre PHOTOVOICE.
Heute geben wir Natascha eine Stimme
Damals als ich mit der Thrombose im Krankenhaus lag, wäre es der Justiz ein Leichtes gewesen, mich ins Gefängnis zu stecken, weil ich einen Termin zur Gerichtsverhandlung nicht wahrgenommen hatte. Dann kam diese tolle Sozialarbeiterin zu mir ins Krankenhaus und hat mich davon überzeugt, mich vielleicht doch endlich wieder substituieren zu lassen. Sie hat alles in die Wege geleitet, damit ich nicht gleich wieder aus dem Krankenhaus auf die Szene brettere und in den alten Trott verfalle. Ich kannte sie schon von früher aus einer anderen Drogenberatungsstelle und als sie dann im Olga anfing zu arbeiten, war ich erst noch hin und her gerissen, ob es mir wichtiger ist, durch sie betreut zu werden oder die Szene auf dem Straßenstrich und somit alte Bekanntschaften zu vermeiden. Spätestens im Nachhinein bin ich froh, die Prioritäten so gesetzt zu haben.
Durch die Substitution und ihre Motivation in der psychosozialen Betreuung (PsB) habe ich es geschafft, an einem Theaterprojekt teilzunehmen, bei dem ich regelmäßig Termine einhalten musste.
Als sie dann gestorben ist, hätte mir ihr Tod tausende Gründe für Rückfälle, Resignation usw. geboten, aber irgendwie, vielleicht auch Dank meiner neuen PsB, wurde mir eine Möglichkeit geboten, an mir und dem Verlust zu arbeiten und nicht abzustürzen. Vielleicht war es Glück, vielleicht sollte es so sein. Ich konnte die bisher gemachten Fortschritte so für mich nutzen, dass ich eine Weiterbildungsmaßnahme gemacht habe. Mittlerweile bin ich mitten in einer Ausbildung und werde in einem guten Jahr dann doch noch einen Berufsabschluss in der Tasche haben.
Sicher war das bisher eine Menge eigene Arbeit, aber letztendlich hat sie den Grundstein zum Umdenken gelegt und manchmal denke ich, ich muss es schon alleine deshalb schaffen, um es ihr zu zeigen und ihr auf diese Art und Weise zu danken.