Gastbeitrag von Norbert Böhmer.
Das Baufeld am Lützowplatz war vor dem 2. Weltkrieg ein geschlossen bebauter Straßenzug. Auf dem Grundstück Lützowplatz 11-13 standen zwei repräsentative Wohnhäuser (Nr. 11 und Nr. 13; vor 1930: Nr. 6 und 7) (Bild 1), die im Krieg zerstört wurden. In dem einen (Nr. 11) war bis 1933 unter anderem die Braunschweigische und Anhaltische Gesandtschaft, außerdem die Vertretung von Mecklenburg-Vorpommern beim Reich untergebracht war. Nach dem Krieg wurde die Preussag, ein 1923 gegründeter Staatskonzern, der 2002 aufgelöst wurde, Eigentümerin eines ca. 10.000 qm großen geräumten Grundstücks.
Ab 1965 baute die Preussag zunächst am Lützowplatz und später auch auf dem rückwärtigen Grundstück. Auf dem Modellfoto (Bild 2) sieht man einen mächtigen Gebäuderiegel, der allerdings nicht realisiert wurde; dort befinden sich heute vier Stadtvillen. Das Architekturbüro KSP Braunschweig unter Leitung von Professor Friedrich Wilhelm Krämer plante das Preussag-Gebäude mit vier Obergeschossen. Es zeichnete sich durch klar gegliederte Fensterbänder (Schiebefenster) und einer Vorhangfassade aus Travertin und weißem Marmor aus (Bild 3).
1986 wollte sich die Preussag von dem unbebauten Grundstück und der „Verwaltungsstelle Berlin“ (fünf Mitarbeitende auf 300 qm) trennen; die Präsenz in Berlin war eher symbolisch, da die Hauptverwaltung bereits 1952 in Hannover eingerichtet war. Der Hauptmieter in Berlin war seinerzeit schon die 1964 gegründete Stiftung Warentest. Deren Vorstand der Stiftung kaufte der Preussag das Gebäude mit einem Grundstückanteil von ca. 3.600 qm ab. Das noch unbebaute Grundstück erwarb dann eine Eigentümergemeinschaft, die später die heutige Nachbarbebauung im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 1987 realisierte, eben das angrenzende Bürocenter am Lützowplatz und die vier Stadtvillen (Karl-Heinrich-Ulrichs Straße 20 bis 20c). Aktuell ergänzt das Haus am Lützowplatz (HaL, Lützowplatz 9) diese Bebauung um eine weitere Stadtvilla (mittendran vom 2.2.2024).
Im Jahr 1991 stellte die Stiftung Warentest einen Bauantrag über die Aufstockung um zwei weitere Etagen, um die Finanztest-Mitarbeitenden der Stiftung Warentest aus Düsseldorf zu integrieren. Bautechnisch gab es zudem einige Probleme mit dem alten Gebäude. Die ursprünglichen Schiebefenster waren undicht, was zu ständigen Klagen führte. Die schöne, helle Natursteinfassade war nicht mehr standfest und es drohten Fassadenteile abzufallen. Deshalb entschied man sich im Zusammenhang mit der Aufstockung, auch die Fassade zu sanieren. So kam es leider zu der heutigen grauen Erscheinung aus indischem Granit (Bild 4).
Im Jahr 2000 wurde der Erdgeschossbereich des rückwertigen Gebäudeteils modernisiert und zu einem modernen Konferenzzentrum umgestaltet. Auch erlebte das Gebäudeinnere im Laufe der Jahre viele Umbauten und Modernisierungen. Erhalten geblieben ist das Treppenhaus in seiner ursprünglichen Ausgestaltung mit schwarzen Treppenstufen, weißem Marmor an den Wänden und den roten Aufzugstüren und Geländer-Handlauf, eine Reminiszenz der Preussag an die Farbe der Flagge des Deutschen Kaiserreichs (schwarz, weiß, rot) (Bild 5).