Das Schwule Museum
als gefährdeter Ort

Eine Pressemitteilung des Schwulen Museums

Das Schwule Museum, eine weltweit einzigartige Institution für queere Geschichte und Kultur, wurde seit Februar diesen Jahres fünfmal von unbekannten Personen angegriffen. Diese Angriffe fordern uns heraus, sie belasten, destabilisieren und verunsichern. Sie bringen uns auch personell und finanziell an unsere Grenzen. Wir wünschen uns deshalb, für uns und alle, die gruppenbezogene Gewalt erleben, solidarische Unterstützung, bei der unsere Sicherheit, unser Wohlbefinden und unsere Ressourcen gleichermaßen berücksichtigt werden.

Was ist passiert: In der Nacht zum 24.02.2023 gab es einen Luftgewehr-Anschlag auf das Schwule Museum. Es wurde auf die Frontscheiben, den Namens-Schriftzug und ein vor der Tür hängendes Kunstwerk geschossen. Die Nachricht über den Vorfall wurde von vielen Medien aufgegriffen, es gab eine breite Berichterstattung, Solidaritätsbekundungen von anderen Institutionen und Einzelpersonen. Das Schwule Museum erstattete Anzeige gegen Unbekannt.

Beschädigung eines Kunstwerks durch Luftgewehr-Einschusslöcher, Vorfall vom 24.02.2023

Leider blieb es nicht bei diesem einen Angriff. Am 19.3.2023 wurde der Eingang des Museums bei laufendem Betrieb mit Lebensmitteln beschmiert und unsere Mitarbeiter*innen beleidigt. Am 31.3.2023 wurde – ebenfalls bei laufendem Betrieb – die Front des Museums mit einem Feuerlöscher besprüht. Am 21.5.2023 sowie am 28.5.2023 wurden Wasserbomben in das Foyer des Museums geworfen. Auch in diesen Fällen wurde Anzeige erstattet.

Vorfall vom 21.05.2023 – Wasserbombe im Eingangsbereich

Dazu kommt ein Grundrauschen an Gewalt, dass, so traurig das auch ist, für uns alltäglich ist. Anti-queere Sticker vor dem Haus, rechtsradikale Aufkleber in unseren Toiletten, Schläge gegen die Fensterscheibe, Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohung am Telefon, in den Sozialen Medien und in unserem Gästebuch.

Gruppenbezogener Hass, rassistische, antisemitische, misogyne, sexarbeiter*innenfeindliche und eben auch queerfeindliche Gewalt sind keine Ausnahmen. Sie trifft einzelne Menschen, Aktivist*innen und Gruppen, die für ihre Rechte kämpfen und zunehmend auch Vereine und Institutionen, die sichtbar Stellung beziehen. Wir wissen von den mit uns vernetzten Institutionen, Vereinen und Gruppen, dass wir mit diesen Erfahrungen nicht allein sind.

Wenn Menschen und Institutionen Gewalt erfahren, ist Unterstützung nötig. Wir begrüßen die von Berliner Senat und Bund geäußerten Absichtserklärungen, anti-queere Gewalt präziser zu erfassen, klarer zu benennen und das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen. Wir wünschen uns aber auch, dass die Unterstützung über die Polizei- und Aufklärungsarbeit hinausgeht. Es braucht auch finanzielle, personelle und psychologische Hilfe. Die Arbeit darf nicht den Angegriffenen aufgebürdet werden. Wir wünschen uns solidarische Unterstützung auf allen Ebenen und in allen Fällen gruppenbezogenen Hasses.

Überklebter Sticker in der Museumstoilette

Denn in unserem und vielen anderen Fällen bindet die Gewalt finanzielle, personelle und emotionale Ressourcen. Die Versicherung stellt in Frage, ob die Scheibe ausgetauscht werden muss, da sie – trotz Einschusslöchern – noch intakt ist. Die Kosten für den Schriftzug, das Kunstwerk oder die Reinigungen tragen wir selbst. Die Ausarbeitung des Sicherheitskonzepts, die Suche nach Trainer*innen für unsere Mitarbeitenden und die Recherchen zur Präventionsförderung der Justizverwaltung oder der Berufsgenossenschaft müssen wir neben dem Tagesgeschäft erledigen. Wir, die Mitarbeitenden, die Ehrenamtlichen, die das Haus in weiten Teilen tragen, und unser Publikum stehen unter Beschuss. Wir fühlen uns nicht sicher und werden mit den Folgen der Gewalt in weiten Teilen allein gelassen. Mit den Angriffen auf unser Haus wird unsere Existenz als selbstbewusst sichtbarer queerer Ort infrage gestellt.

Fassade des Schwulen Museums mit Spuren des zweiten Feuerlöscher-Angriffs (31.3.2023) und dem von einem Luftgewehr beschädigten Leuchtschriftzug (24.2.2023). Foto: mino Künze.

Das Schwule Museum wurde 1985 gegründet und gilt als eines der größten LGBTIQ-Museen der Welt. Allein die Sammlung umfasst etwa 1,5 Millionen Archivalien, auf einer Ausstellungsfläche von knapp 700 m² werden normalerweise bis zu drei Ausstellungen gleichzeitig gezeigt. Es wird vom Land Berlin gefördert und bietet jährlich tausenden von Besucher*innen Einblicke in queere Geschichte, Kunst und Aktivismus. Aktuell laufen die Ausstellungen „Love at First Fight – Queere Bewegungen in Deutschland seit Stonewall“, „Photography as a Way of Life – Rüdiger Trautsch, Bilder aus 50 Jahren“, „_Leerstelle – Zeit haben, Zeit zählen, Zeit füllen“ und „lieben.kämpfen.tanzen. – 50 Jahre Sonntags-Club“.

Fotos: Schwules Museum

Jan Künemund, mino Künze & Julia Heuser
Tel.: +49 (0)176 84995444
Schwules Museum
Lützowstr. 73, 10785 Berlin
www.schwulesmuseum.de

 

 

 

 

 

Redaktion

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