Der Name des bedeutenden jüdischen Buchverlegers Erich Caesar Reiss (1887 Berlin – bis 1951 New York) gehört eigentlich in eine Reihe mit den Größen seiner Branche wie Samuel Fischer, Rowohlt und Langen Müller. Doch kennt ihn keiner.
Unter dem Titel „Zu Unrecht vergessen – der Berliner Verleger Erich Reiss“ fand am 20. Oktober 2022 im Saal des Kiezzentrums Villa Lützow ein hybrider Vortrag mit Diskussion statt. Für die veranstaltende Initiative „Jüdisches Leben und Widerstand in Tiergarten Süd“ moderierte Dr. Bergis Schmidt-Ehry den Abend mit den Experten Dieter Beuermann (Verleger) und Peter Kröger (Journalist). Die technische Organisation lag in den Händen von Gabriele Hulitschke.
Der aus wohlhabendem Berliner Haus stammende Erich Reiss war ein großer Förderer der schillerndsten Schriftstellernamen, die jeder kennt: z.B. Victor Hugo, Gustave Flaubert, Fjodor M. Dostojewski, André Gide, Gottfried Benn, Jonathan Swift, Vicki Baum und Egon Erwin Kisch. Dabei war Reiss „mit Sorgfalt und Verstand“ (so Kröger) ungeheuer produktiv: insgesamt über 400 „elegante und wohl gestaltete“ Titel brachte er zwischen 1909 und 1926 heraus, darunter 60 Romane, 31 Erzählungen und 40 Lyrikbände. So nebenbei publizierte Erich Reiss auch noch anspruchsvolle Modejournale und intellektuelle Zeitschriften (wie von 1909 -1912 „Die Schaubühne“). Mit über 50 Druckereien in ganz Deutschland arbeitete Reiss zusammen, „und das nur mittels Telefon und Briefpost“ (Kröger).
Das Ende kam für Reiss durch zwei Faktoren: seinen betrügerischen Buchhalter, der ihn schwer schädigte, und das nationalsozialistische Schreckensregime. Seit 1934 brachte Reiss nur noch Bücher jüdischer Autoren heraus. In der Folge der Reichspogromnacht am 09. November 1938 wurde der Verleger für Wochen in das KZ Sachsenhausen verbracht. Auf Fürsprache der dänischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf konnte Reiss zunächst nach Schweden und dann in die USA emigrieren. Dort in New York arbeitete er als Theaterkritiker und heiratete 1940 die bekannte Fotografin Lotte Jacobi. In den folgenden Jahren entstand das Werk „Lieber Bennito: Briefe an Gottfried Benn“ (1946 – 1951) aus dem Briefwechsel mit dem deutschen Arzt und Lyriker.
Eine Biographie über das Leben von Erich Reiss wartet noch darauf, geschrieben zu werden.
Ein erster Schritt für einen zunehmenden Bekanntheitsgrad von Erich Reiss zu sorgen, wird neben dieser Vortragsveranstaltung im Januar 2023 die Anbringung einer Berliner Gedenktafel am Standort des ehemaligen Geburts- und Wohnhauses in der Wichmannstr. 8/9 sein.
Wird es dem Berliner Verleger Dieter Beuermann (links) und dem Journalisten Peter Kröger gelingen, Erich Reiss dem Vergessen zu entreißen? (Screenshot APZ)