Gastbeitrag von Privat-Dozentin Dr. Barbara Mohr, Paläontologin, Kuratorin am Museum für Naturkunde (i.R.)
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Im Lützowviertel lebten während der Wilhelminischen Ära viele Künstler und Literaten, darunter ein dem Bewusstsein heute weitgehend entschwundener Berliner Maler, August von Heyden (1827–1897). Dessen Wohn- und Arbeitsstätte am Lützowplatz soll hier kurz vorgestellt werden:
August von Heyden hatte bereits eine Karriere als Ingenieur in Schlesischen Bergwerken hinter sich, als er einem lange gehegten Wunsch nachkommen konnte, eine künstlerische Ausbildung zu vollenden, um sich in Berlin als Maler niederzulassen. Dieser Lebensweg war ungewöhnlich, aber so lassen sich einige seiner Sujets und Themen erklären, die er besonders während seiner frühen Malerkarriere anschlug und die teilweise zu seinen Markenzeichen wurden.

Abb. 1: August v. Heyden, um 1870. Porträt-Foto des Studios Lutze und Witte (Archiv B. Mohr)
August v. Heyden entstammte der preußisch-pommerschen Adelsfamilie von Heyden-Nerfken, die in Ostpreußen begütert war. Schon sein Großvater mütterlicherseits, Theodor Gottlieb v. Hippel (1775–1843) und sein Vater Friedrich August v. Heyden (1789–1851) waren kunstbeflissen, hatten enge Kontakte zu bekannten Künstlern wie etwa E.T.A. Hoffmann (1776–1822) bzw. hatten selbst damals weit verbreitete und geschätzte Bücher veröffentlicht. Der Vater, preußischer Staatsbeamter, versah in Breslau seinen Dienst, wo auch August v. Heyden aufwuchs und das Studium der Montanwissenschaften aufnahm, das er in Berlin 1854 abschloss und eine entsprechende berufliche Laufbahn einschlug. August von Heydens Jahre in Berlin als Student der Bergbau- und Geowissenschaften und der Aufbau eines wichtigen Netzwerks für seine spätere Karriere wurden bereits in einem früheren Aufsatz der Autorin thematisiert (Mohr 2018).
Schon während seiner Studentenjahre war August v. Heyden ein eifriger Zeichner gewesen und hatte dem damals in Berlin beschäftigten und hochgeachteten Maler Peter Cornelius (1783–1867) über die Schulter geschaut, der mit den Kartons für die Ausmalung der gegenüber des alten Doms liegenden geplanten Grablege (“Campo Santo”) seit 1848 für die Hohenzollern-Könige beschäftigt war.
1859 konnte August v. Heyden, bedingt durch mehrere glückliche Umstände, seine professionelle Ausbildung zum Maler an der Berliner Kunstakademie beginnen. Zeichenunterricht erhielt A. v. Heyden durch den Holzbildhauer Eduard Holbein (1807–1875) und im Malen war Karl Steffek (1818–1890) sein Lehrer. Um den nötigen Schliff zu bekommen, hielt er sich 1861-1863 zeitweise in Paris auf, wie viele seiner Landsleute zu dieser Zeit (Savoy, 2015) und vervollkommnete sich im Bereich Grafik und Ölgemälde; seine dortigen Lehrer waren der Schweizer Maler Charles Gleyre (1806–1874) und Thomas Couture (1815–1879) (Hackmann, 2015). Doch A.v. Heyden hatte offensichtlich die Zeit genutzt, um auch die Malweise einiger der Schule von Barbizon zugehörigen Künstler zu studieren.
Für sein frühes Hauptwerk, “Die Heilige Barbara als Schutzpatronin der Bergleute” (s. Abb. 2), tatsächlich bemerkenswert durch das bisher nicht gekannte Sujet und durch die ausgeklügelte Malweise, erhielt er die goldene Medaille des Pariser Salons von 1863/1864. Das war nach heutigen Maßstäben fast vergleichbar mit einem Nobelpreis in Sachen Kunst, denn es wurden von einigen tausend eingereichten Bildern nur wenige hundert angenommen. Dort den 1. Preis zu gewinnen, zumal als Ausländer, war etwas absolut Ungewöhnliches. Diese Glanzleistung brachte ihm in Berlin den Titel “Hofmaler” ein. In seiner späteren Karriere wurde er sogar zum Preußischen Staatsrat berufen.

Abb. 2: August von Heyden (1862): “Die Heilige Barbara als Schutzpatronin der Bergleute”. Öl auf Leinwand; Katholische Pfarrkirche St. Marien in Dudweiler, Saarland.
Zurück in Berlin begann A. v. Heyden seine erfolgreiche Künstlerkarriere. In den frühen 1870er Jahren ließ er von einem Freund, dem Architekten Richard Lucae (1829–1877), für sich und seine Familie ein Haus am Lützowplatz (Nr. 13, später Nr. 25) im Stil des Historismus entwerfen (Abb. 3).

Abb. 3: Ansicht vom Lützowplatz, aufgenommen von der Herkulesbrücke. Haus Nr. 13: linke Seite mittleres Haus mit dem oben im Dachstuhl befindlichen Atelier von August von Heyden. Rechte Häuserzeile entlang der Schillstraße. Ansichtskarte (Ausschnitt), datiert 1899. Archiv B. Mohr
Das fünf- bzw. siebenachsige Gebäude ist streng gegliedert (Abb. 4), mit einem zentralen Erker, der in der 1. Etage einsetzt und drei kleinere rechteckige Fenster aufweist. Er ist mittig geschmückt mit zwei Halbsäulen, deren Kapitelle in einer typischen Anordnung unten dorische, oben korinthische Merkmale zeigen. Die dem Erker jeweils gegenüberstehenden zwei seitlichen großen Rechteckfenster öffnen sich auf den Lützowplatz, der zunächst noch als Holzplatz diente (s. Beitrag Enck in Mittendran 2021) und ließen viel Licht in die dahinter liegenden Zimmer. Das Gebäude verfügte über einem kellerartigen Halbstockwerk über zwei durch interne Treppen miteinander verbundene Wohnungen. Die Beletage war gekennzeichnet durch Dreiecksgiebel über den Fenstern und durch reichen Sgraffito-Schmuck unterhalb der Fensterbänke, die wahrscheinlich auf Entwürfe des Hausherrn zurückgehen. Im oberen (Dach-)Geschoß lag das nach Augenzeugenberichten sehr schön ausgestattete Atelier des Künstlers mit einem großen Atelierfenster und mehreren Nebenräumen.

Abb. 4: Foto des Hauses am Lützowplatz Nr. 13 im Besitz der Familie von Heyden. Abdruck einer Fotografie von F. Albert Schwarz (Archiv B. Mohr)
Das nach hinten weit in das Grundstück hinein gebaute Haus war sehr geräumig und wurde ausschließlich von der Familie bewohnt. 1854 hatte A. v. Heyden die Tochter einer im schwedischen Pommern zur naturwissenschaftlich gebildeten Elite gehörende und einflussreiche Familie von Weigel geheiratet. Josephine Wilhelmine Justine (1834– 1901) stammte aus Breslau und gebar zwischen 1855 und 1860 fünf Kinder, darunter vier Söhne. Es war also genügend Platz in dem geräumigen “Kasten”, wie die Anzahl der Zimmer verrät – eine detaillierte Beschreibung der Architekturpläne ist an anderer Stelle geplant. Auch für die Schwester der Hausherrin war in diesem Haus gesorgt, hatte doch sicher die Mitgift der v. Weigel-Damen (neben Josephine auch Clementine und Helene v. Weigel) für die Finanzierung des Baus maßgeblich mit gesorgt. Eine weitere Schwester, Emilie, hatte den Bruder Augusts, Friedrich von Heyden geheiratet. Der jüngste Sohn Augusts, Hubert von Heyden (1860–1911) wurde wie sein Vater Maler. Er lebte und arbeitete in München als Landschafts- und Tiermaler. August v. Heydens Schwiegersohn, der Kunsthistoriker, Jaroslaw (abgekürzt Jaro) Springer (1856–1915), entstammte einer Prager Familie und war Kurator im Kupferstichkabinett in Berlin. Wenn also die große Familie mit Enkelkindern zu Familienfesten zusammenkam, ging es sicher in den weitläufigen Fluren und Korridoren recht turbulent zu.
Nach August v. Heydens Tod 1897 wurde das Haus verkauft und bis in die 1930er Jahre mehrfach umgebaut (Mitteilung Paul Enck). Das Gebäude, wie praktisch die gesamte alte Bebauung rund um den Lützowplatz, wurde im Zweiten Weltkrieg vollkommen zerstört und wurde nicht wieder aufgebaut (Enck & Klosterhalfen 2022).
Mit den beginnenden 1870er Jahren bis Mitte der 1890er Jahre betätigte sich August v. Heyden in sehr unterschiedlicher Weise: Er illustrierte eigene wie fremde Bücher, auch Jugendbücher.
Als Porträtist, Genre- und Historienmaler trat er mehrfach hervor, aber auch auf kunstgewerblichem Gebiet (u.a. Entwürfe für Glasfenster; heute Nationalmuseum Nürnberg). Aber seine wichtigste Tätigkeit war sicher die der Ausmalung von vielen Gebäuden in Preußen, u.a. in Posen und Berlin. Besonders erwähnenswert sind seine Wandgemälde im “Roten Rathaus” in Berlin Mitte (Bild 5), insbesondere die Fresken im Bürgersaal und im Ratskeller und in Teilen der Gebäude auf der Museumsinsel, Sgraffiti im Admiralsgartenbad und Plafond-Malereien im Saal der Kaisergalerie (Nachruf 1897 im “Kleinen Journal”). Daneben gab es einige Privathäuser, die mit seinen Fresken geschmückt waren.

Abb. 5: Szene aus dem Restaurant Ratskeller im “Roten Rathaus” in Berlin Mitte. Angedeutete humoristische Wandbilder im Hintergrund von August von Heyden. Web, Museen Berlin, gemeinfrei.
August v. Heyden war Teil der Berliner Gesellschaft mit guten Beziehungen zum Hof, wo er half, Kostümfeste auszurichten. Dabei waren ihm seine exzellenten Kenntnisse im Bereich der Kostümkunde unentbehrlich, ein Thema, zu dem er ausführlich publiziert hatte (u.a. Blätter zur Kostümkunde 1874–1891). Diese in der damaligen Zeit notwendigen Kenntnisse, Hilfsmittel für die Historienmalerei, brachten ihm eine Professur an der Kunstakademie ein. Er war mit Literaten in der preußischen Hauptstadt gut vernetzt, so etwa mit seinem engen Gefährten Theodor Fontane (1819–1898), eine Männerfreundschaft, die selbst karikierenden Darstellungen standhielt, eine andere, augenzwinkernde Seite August v. Heydens.
Zum Schluss: Viele der genannten Gebäude existieren nicht mehr, in anderen wurden die Gemälde entfernt oder sind heute durch Abdeckplatten überdeckt, da den Besuchern diese Art von realistischer Kunst nicht mehr zumutbar erscheint.
Dank: Für die Möglichkeit, diesen Beitrag innerhalb des Blogs “mittendran” publizieren zu können, danke ich Herrn Enck, ebenso für Fotos der Bauakte zum Haus Lützow Platz Nr. 13 zur Einsicht. Mein Dank gilt auch dem katholischen Pfarramt von Dudweiler für die Übersendung eines Fotos von dem in der dortigen Kirche befindlichen Bild der Heiligen Barbara.
Literatur
Enck, Paul und Klosterhalfen, Sibylle 2022. Das Lützow-Viertel. Geschichte und Geschichten aus dem Berliner Lützow-Kiez, 214 S., Hayit Verlag, Köln.
Hackmann, Lisa 2015: Heyden, August Jakob Theodor von In: Savoy, Bénédicte und Nerlich, France (Hrsg.): Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt. Band 2: 1844–1870. Berlin/Boston.
Mohr, Barbara A.R 2018. The Prussian geoscientist, engineer and painter August von Heyden (1827–1897): An artistic Chronicler of the world of mining during the mid-nineteenth century. Earth Sciences History, 37(2), 403–415.
Mohr, Barbara A.R 2019. Der Berliner Maler August von Heyden (1827–1897) – ein Beitrag zum Fontane Jahr 2019. In: Der Bär von Berlin, Jahrbuch des Vereins f.d. Geschichte Berlins 2019, S. 83–100, Berlin.
Nachruf auf August v. Heyden. In: Das Kleines Journal, Zeitung für alle Gesellschaftsklassen, Nr. 152, 19. Jahrgang, 3. Juni 1897, Berlin.
Savoy, Benedicte et al. 2015. Pariser Lehrjahre. 388 S. De Gruyter, Berlin.
Ferner wurden folgende Wikipedia Artikel zu August von Heyden, Richard Lucae und anderen Personen (Karl Steffek, Charles Gleyre, Thomas Couture) als Datenquelle genutzt.