Ein U-Bahnhof am Magdeburger Platz?

Direkt vor der Villa Lützow, am Magdeburger Platz, in die U-Bahn einsteigen und zum Nollendorfplatz oder zum Rathaus Schöneberg fahren? Das klingt nach Mobilität und Futur II. Manche aus dem Kiez würden trotz guter Busverbindungen eine nahe U-Bahn-Anbindung befürworten. Und mit ihrem Wunsch liegen sie nicht weit im Bereich der Unmöglichkeiten:

Pläne für eine nördliche Verlängerung der Schöneberger U4 gab es bereits seit deren Eröffnung im Jahr 1910, sie wurden aber vorerst nicht umgesetzt.


U-Bahn-Baustelle, alter Versorgungstunnel, 1970 (BVG-Archiv 1970-01-19_#70-0120)

1969 bis 1971 konnten Anwohner:innen dann den Eindruck gewinnen, eine U-Bahn-Station entstünde direkt am Magdeburger Platz: Die Genthiner Straße wurde aufgerissen, alte Versorgungstunnel entfernt und ein ungefähr 300 Meter langer U-Bahn-Schacht entstand.

 


U-Bahn-Baustelle-Genthiner-Str, 1970 (BVG-Archiv 1970-01-19_#70-0119)

 


U-Bahn-Baustelle-Genthiner-Str, 1970 (BVG-Archiv 1970-01-19_#70-0118)

Es handelte sich jedoch nicht um einen neuen End-Bahnhof, sondern um ein Abstellgleis für die U-Bahnlinien vom Nollendorfplatz. Diese wurde notwendig, da mit dem Bau der Stadtautobahn am Innsbrucker Platz die dort vorhandene Abstellanlage außer Betrieb genommen wurde. Ihre Schließung und parallele Eröffnung des Abstellgleises Genthiner Straße erfolgte am 29.06.1971.


Lageplan zum Bau des Abstellgleises, 1969, (Landesarchiv, A Rep. 032-08; Nr.483)

Dennoch blieb die Idee einer Anbindung an das U-Bahn-Netz bestehen: In der Verkehrsplanung der Senatsverwaltung für Verkehr 1995 war der U-Bahnhof Genthiner Straße verzeichnet, eine Umsetzung hatte aber nicht stattgefunden.

 

Konkreter wurden die Pläne für eine Nutzung der Abstellgleise unter der Genthiner Straße für den Fahrgastbetrieb und der Errichtung eines U-Bahnhofs am Magdeburger Platz aber erst fast 20 Jahre später: Die Verlängerung der U-Bahnlinie U4 zum Magdeburger Platz ist im Flächennutzungsplan von Berlin enthalten und stellt damit eine Planungsoption dar. Die Berliner Regierung von 2011-2016 hielt in ihrem Koalitionsvertrag bezüglich des Vorhabens fest, den “Prüfauftrag” U-Bahnhof Magdeburger Platz zu berücksichtigen.

Im August 2012 beantwortete das Abgeordnetenhaus eine Anfrage vom 24. Juli 2012 über die Prüfungs- und Planungsvorhaben Verlängerung der U-Bahnlinie 4 von Nollendorfplatz bis Magdeburger Platz wie folgt: “der Tunnel befindet sich in einem guten baulichen Zustand und wird als Abstellfläche genutzt.” Aktuelle Untersuchungen und Planungen zur Umnutzung liegen weder dem Senat noch der BVG nach nicht vor. Die BVG rechnet bei einem solchen Vorhaben mit Kosten in zweistelliger Millionenhöhe.

Des weiteren entwickelt sich bei der Umnutzung für den Fahrgastbetrieb ein weiteres Problem: Die Abstellkapazität ginge verloren. Es würde die Notwendigkeit bestehen, an anderer Stelle die verlorene Abstellfläche neu zu schaffen, was wiederum Kosten verursacht. Es lässt sich vermuten, dass die BVG auch deswegen diesem Vorhaben keine Priorität einräumt. Ein weiterer Aspekt ist, dass die neu geschaffene öffentliche Fläche des U-Bahnhofs auf bestehende Herausforderungen vor Ort trifft, die viele Anwohnende bereits jetzt bewegen: Vermüllung, Sexarbeit und Drogenkonsum.

Nach Auffassung des Senats wäre zudem keine Aufwertung des Magdeburger Platzes in nennenswertem Umfang zu erwarten. Begründet wird dies mit dem Einzugsbereich der U-Bahnhöfe Kurfürstenstraße und Nollendorfplatz. Die Anfrage kommt zu dem Schluss, dass keine merkbare Entlastung für den öffentlichen Nahverkehr entstünde und „eine weitergehende Prüfung der Verlängerung der U-Bahn-Linie U4 aus Sicht des Senates derzeit nicht vordringlich” ist. Die Überlegungen einer gleichzeitig angedachten Anbindung zum Alexanderplatz per Straßenbahn mit Endpunkt am Magdeburger Platz fielen ebenfalls negativ aus.

 


Abstellanlage-Genthiner-Str, 2010 (A. Mauruszat, #PB081941)

Vorerst begegnen die Anwohnenden dem Tunnel also weiterhin nur, wenn sie am Magdeburger Platz an der Ampel stehen, über die Genthiner Straße gehen möchten und an manchen Abenden Gerede neben sich aus dem Gitter kommen hören oder sogar unten Menschen mit Warnwesten sehen. Die Umnutzung stünde in keinem Verhältnis zu den Kosten und dem Aufwand. Aber dennoch wurde sie bisher auch noch nicht aus dem Flächennutzungsplan gestrichen. Wir bleiben somit beim Futur II…

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Wir danken dem Archiv der BVG und im Speziellen Herrn Mauruszat für die freundliche Bereitstellung der Fotos zur Veröffentlichung bei mitteNdran.

 

 

 

Hobpenz

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