Das Bundesverfassungsgericht hat gestern, am 26.Februar 2020, den § 217 StGB für verfassungswidrig erklärt, da unser Grundgesetz ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst und die Ausübung dieses Rechtes als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu akzeptieren ist.
Damit ist der Patientenwillen als Akt autonomer Selbstbestimmung auch in dem Extremfall der Selbsttötung rechtlich eindeutig priorisiert.
„Dieses Recht entzieht sich der Bewertung durch allgemeine Wertvorstellungen, religiöse Gebote, gesellschaftliche Leitbilder über den Umgang mit Leben und Tod oder Überlegungen objektiver Vernünftigkeit.“ (Harald Baumann-Hasske, Präsident des Netzwerk Europäischer Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen, EUSONET).
Rechtliche Klarheit befreit uns im Einzelfall aber oft nicht aus dem ethischen Dilemma, das insbesondere dann entsteht, wenn der Wille des Patienten in kritischen Situationen nicht eindeutig bestimmbar ist. Dann steht oft das medizin-ethische Prinzip der Fürsorge, das die Behandelnden verpflichtet, das Wohl des Patienten zu fördern und insbesondere das Leben zu schützen und zu erhalten, im Gegensatz zum Prinzip der Autonomie, der Entscheidungsfreiheit und – fähigkeit des Einzelnen und seiner Selbstbestimmungsfähigkeit entgegen. Angehörige, aber auch Ärzte und Pflegende stehen dann immer wieder vor schwierigen Herausforderungen und Entscheidungen, ob medizinisch notwendige Maßnahmen auch wirklich im Sinne der Betroffenen sind. Entsprechen die gesetzten Behandlungsziele auch den Vorstellungen des Patienten? Wenn Betroffene ihre Wünsche und Vorstellungen nicht mehr äußern können, wenn keine Patientenverfügung vorliegt oder diese nicht präzise genug auf die spezifische Situation anwendbar ist, müssen Angehörige, Pflegende und Behandelnde einen Handlungsweg finden, der plausibel die Vorstellungen des / der Patienten/in wiedergibt.
In unserem Kiez-Krankenhaus, der Evangelischen Elisabeth Klinik, gibt es hierfür ein Ethik-Komitee, das in schwierigen Situationen dabei helfen soll,
„den für den Patienten besten Behandlungsweg zu finden – ethisch fundiert, begründet und für alle Beteiligten nachvollziehbar“.
In dem Komitee sind Ärzte, Pflegefachkräfte, Sozialarbeiter*innen und Seelsorger*innen vertreten, um möglichst vielseitige Sichtweisen in die spezifische und detaillierte Fall-Analyse einzubringen. Das unabhängige Gremium kann von Patient*innen und Angehörigen ebenso um Beratung gebeten werden wie von Mitarbeiter*innen der Klinik.
„Eine ethische Fallbesprechung ist eine strukturierte Beratung des Ethikkomitees, an deren Ende eine Empfehlung des Ethikkomitees steht, die schriftlich festgehalten wird, aber rechtlich nicht bindend ist.“
Mit der Einrichtung des Ethikkomitees unterstreicht die Evangelische Elisabeth Klinik, wie sehr sie sich neben dem Patient*innenwohl der Würde des Menschen verpflichtet fühlt.