(EIN BEITRAG VON MATHIAS BAUER, GLEISDREIECKBLOG)
Laut Tagesspiegel vom 30.10.2022 sei die im Koalitionsvertrag vorgesehene Prüfung des Bauvorhabens Urbane Mitte Gleisdreieck schon im April diesen Jahres abgeschlossen worden.
Der Prüfungsauftrag lautete:
„Es wird geprüft, ob und inwieweit der städtebauliche Vertrag zur Urbanen Mitte den aktuellen klimapolitischen Aufgaben und den Bedarfen vor Ort noch gerecht wird und eine Anpassung von Art und Maß der Bebauung ermöglicht wird“
soweit der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag.
Ergebnis der Prüfung laut Tagesspiegel: die Senatsverwaltung hält fest an 119.000 m² Bruttogeschossfläche. Diese seien dem Investor zugesagt worden. Die Koalitionspartner von den Grünen und Linken kritisieren, dass die Prüfung ohne ihre Beteiligung erfolgte sowie dass sie bisher keine Einsicht in die Unterlagen der Prüfung bekommen hätten. Könnte es sein, dass sich in diesen Unterlagen Dinge befinden, die man nicht so gerne öffentlich preisgibt?
Wenn die Senatsverwaltung behauptet, 119.000 m² Bruttogeschossfläche seien dem Investor zugesagt worden, kann sich das nicht auf den städtebaulichen Vertrag von 2005 beziehen. Denn in dem Vertrag wird die Zahl von 119.000 m² Bruttogeschossfläche gar nicht genannt.
Während der von den Investoren veranstalteten Planungsworkshops von November 2014 und bis Januar 2015 war immer von einer Bruttogeschossfläche von bis zu 100.000 m² die Rede. Die Zahl ist auch festgehalten im sogenannten „Konsenskonzept“, das das Stadtplanungsbüro Jahn, Mack und Partner damals im Auftrag der Investoren verfasst hat. In diesem Konzept (finale Version von März 2015) heißt es wörtlich:
. . . Ziel‐Bruttogeschossfläche (BGF) von 100.000 m² sowie sinnvolle Grundstücks‐ und Gebäudetiefen je nach Nutzung . . . “
In der Öffentlichkeit tauchte die Zahl 119.000 m² Bruttogeschossfläche erst später auf in der Begründung zum Bebauungsplan Urbane Mitte VI-140ca vom 12.02.2016.
Diese Tatsache spricht dafür, dass es Zusagen gab außerhalb des städtebaulichen Vertrags, die in der Zeit zwischen März 2015 und Februar 2016 getätigt wurden.
Zum Hintergrund
Der städtebauliche Rahmenvertrag Gleisdreieck legt keine fixe Zahl für das Bauvolumen fest, sondern stattdessen eine Berechnungsmethode zur Ermittlung des Bauvolumens, nämlich die Geschossflächenzahl von 3,5 und als Berechnungsgrundlage das Nettobauland. Aus der Multiplikation beider Zahlen soll sich dann die Bruttogeschossfläche ergeben.
Das Nettobauland wurde im Jahr 2005 von der VIVICO auf 34.000 m² geschätzt. Später stellte sich die Schätzung als falsch heraus.
Die Flächenbedarfe der Deutschen Bahn (Rettungsplatz und Zufahrten Fernbahntunnel, Tunnel der S1 und der S2 sowie das Vorhaben S21), der BVG mit U1 und U2, der Station (ehemals Postbahnhof) und schließlich des Parks mit dem Fuß- und Radweg zwischen Ost- und Westpark – wurden damals unterschätzt. Außerdem wurde nicht angemessen berücksichtigt, dass das Baufeld „Urbane Mitte“ ca. 500 m lang, an der breitesten Stelle jedoch nur ca. 60 m breit ist. Dass bei einem solch langgestreckten Grundstück relativ viel mehr Fläche für die Erschließung angenommen werden muss, liegt auf der Hand.
Im südlichen Bereich des Baufeldes soll die GFZ nun laut Bebauungsplanentwurf VI-140cab „Urbane Mitte Süd“ bei 5,1 liegen, im nördlichen Bereich bei 4,4. Das sind wesentliche Überschreitungen der im städtebaulichen Vertrag von 2005 vorgesehenen GFZ von 3,5.
Die Senatsveraltung jedoch suggeriert mit den Äußerungen zur angeblichen Prüfung des städtebaulichen Vertrages, die 119.000 m² GFZ seien schon immer zugesagt worden. Das „Immer“ ist falsch. Wann genau und von wem eine Zusage für 119.000 m² Bruttogeschossfläche gemacht wurde, wäre interessant zu erfahren.