Haus am Lützowplatz – ein Haus mit wechselvoller Geschichte

Gastbeitrag von Dr. Heinrich-W. Wörmann

Falls Sie das Haus am Lützowplatz noch nicht kennen, gilt es eine Oase der Kunst in Tiergarten-Süd zu entdecken. Wenn Sie das nächste Mal den Lützowplatz passieren, schauen Sie zuerst auf die Fassade des HaL mit der „Großen Geste“ (2012) von Christian Jankowski, dann steigen Sie bitte die ungewöhnliche Stahltreppe von Volkmar Haase hinauf und lassen Sie sich im Hochparterre von unserer großen Galerie und der Studio Galerie im Garten überraschen.
Unser Haus hat sich zum Ziel gesetzt, die Vielfalt des zeitgenössischen künstlerischen Lebens zu präsentieren, wobei Veranstaltungen wie Vorträge, Performances, Filmvorführungen und Symposien das Programm vertiefen. Das Haus am Lützowplatz zeigt im Jahr sechs bis acht Ausstellungen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Stilrichtungen, Generationen und Nationen, inklusive Katalogpublikationen und begleitender Veranstaltungen, Vorträge durch internationale Persönlichkeiten der Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft und Politik. Außerdem werden junge Kuratoren und Künstler durch die Studiogalerie gefördert und das Haus am Lützowplatz kuratiert viermal im Jahr den Kunstraum im IG Metall Haus von Erich Mendelsohn.
Das Haus am Lützowplatz wird getragen von dem 1960 gegründeten Kunstverein „Haus am Lützowplatz – Fördererkreis Kulturzentrum Berlin e.V.“. Er wurde auf Initiative vom damaligen Berliner Bürgermeister Willy Brandt ins Leben gerufen, um die 1873 erbaute Stadtvilla am Lützowplatz in ihrer eingeführten Nutzung als Kunststandort zu erhalten. Die Gründungsmitglieder waren allesamt Persönlichkeiten aus der Berliner SPD, der Berliner Kulturszene und den Gewerkschaften. Im Zentrum des in der Satzung des Vereins festgeschriebenen Förder-, Vermittlungs- und Bildungsauftrages steht die die Präsentation von zeitgenössischer bildender Kunst als Brückenschlag zur politischen und gesellschaftlichen Realität.

Das Gebäude mit war 1873 als Stadtvilla für die Familie Zimmermann von dem Architekten Wilhelm Neumann erbaut worden. Nach grundlegendem Umbau 1891/92 durch die Architekten Rudolph Speer und Heino Schmieden, die ein zusätzliches Geschoss und ein Quergebäude anfügten, wurde es 1904 von dem Kaufmann Egon Sally Fürstenberg (1860-1942) erworben, der es 1924 durch die Architekten Hoeniger und Sedelmaier erneut umbauen und erweitern ließ. 1938 wurde die Fürstenberg wegen ihrer jüdischen Abstammung in die Emigration getrieben. Um die sogenannte “Reichsfluchtsteuer” aufzubringen, hat die Familie Fürstenberg große Teile ihres Vermögens verkauft, wozu auch  das Gebäude am Lützowplatz zählte. Es wurde damals vom Verein Berliner Künstler (VBK) erworben.  Durch Bombenangriffe auf die Berliner Innenstadt im Jahr 1943 wurde es stark beschädigt und brannte aus. Die Bibliothek und das Archiv des 1841 gegründeten Künstlervereins ging dadurch weitgehend verloren. Nach dem Krieg geriet das Haus auf die Abrissliste, wie auch die meisten anderen umliegenden Gebäude. Durch das persönliche Eingreifen des deutschrussischen Malers Nikolaus Sakrekow, des Vorsitzenden des Ausstellungsausschusses des VBK, konnte eine Wiederaufbaugenehmigung beschafft werden. Unter seiner Bauleitung wurden zwei Geschosse des Vorderhauses so wiederhergestellt, dass im Februar 1950 das „Kulturzentrum am Lützowplatz“, wie es damals in der Presse genannt wurde, wiedereröffnet werden konnte.

Der Gründung dieses Vereins ging am 23. Mai 1959 ein Beschluss des Landesparteitages der Berliner SPD unter dem Vorsitz von Willy Brandt (Berlins Regierender Bürgermeister 1957-1966) voraus, der die Einrichtung eines „Kulturclubs“ forderte. Am 14. März 1960 verfügte der Landesvorstand der Berliner SPD zur Realisierung des Beschlusses den Ankauf des Haus am Lützowplatz 9 anzustreben, das seit 1945 vom der Britischen Militäradministration wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse treuhänderisch verwaltet wurde. Zu diesem Zweck wurde einen Monat später, am 6. April 1960, der „Fördererkreis Kulturzentrum Berlin e.V.“ gegründet. Gründungsmitglieder waren der Landesgeschäftsführer der SPD Josef Braun, der ehemalige Hauptreferent des Büros für Gesamtberliner Fragen Ernst Carlbergh, der Schulsenator Karl-Heinz Evers, der SPD-Parteisekretär Konrad „Jule“ Hammer, der SPD Landtagsabgeordnete Dr. Werner Bloch, der Bezirksstadtrat Bruno Lösche und der Maler Horst Strempel.

Dem Verein traten in den folgenden Jahren eine Reihe von Persönlichkeiten des politischen und kulturellen Lebens bei wie etwa der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses Otto Bach, der damalige Pressechef des Berliner Senats Egon Bahr, der Architekt Fritz Bornemann, der SPD Landesparteivorstand Willi Eichler, der Politologe Prof. Dr. Dr. Ossip K. Flechtheim, der Maler Alexander Kampmann, der Schauspieler Wolfgang Neuss, der Intendant der Freien Volksbühne Erwin Piscator, der Senator für Wissenschaft und Kunst Dr. Heinrich Rau, der Schauspieler Ernst Schröder sowie der Vorsitzende des DGB Landesverbandes Walter Sickert. Gegen Ende des Gründungsjahrzehnts war der Verein auf etwa 40 Mitglieder angewachsen. Heute hat er mehr als 80 Mitglieder.

Bild einer Ausstellung (Foto:H.Wörmann)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gebannt folgen Besucher den Erläuterungen bei der Vernissage zu „Prometheus Delivered“ (Foto:H.Wörmann)

Das Freimeister-Kollektiv in Aktion (Foto:W.Wöhrmann)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Prometheus Delivered“ – Metamorphose zwischen Stein und Fleisch. Die nachgebildete Marmorskulptur des antiken „Feuerbringers“ wird durch Bakterien zersetzt und umgewandelt… (Foto:H.Wörmann)

 

Mehr zum Haus am Lützowplatz erfahren Sie unter: hal-berlin.de 

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