Spaziergänge in die Vergangenheit (1): Das Chausseehaus

Prof. Dr. Paul Enck (www.paul-enck.com)

Mit diesem „Spaziergang in die Vergangenheit“ beginnt eine neue Serie von Geschichten aus dem Lützowviertel, die sich vor allem um Häuser und Gebäude drehen wird – Häuser, die es noch gibt, Häuser die es nicht mehr gibt, oder die nie gebaut wurden, aber von denen es Bilder gibt, die bislang nicht oder nur sehr wenig bekannt sind. Wir beginnen unseren Spaziergang in die Vergangenheit an der Kreuzung der Potsdamer Straße und der Lützowstraße, und zwar im Jahr 1850.

Als die Potsdamer Chaussee 1788 angelegt wurde, war die Grenze der Stadt Berlin der sogenannte Schaafgraben, der 1848 zum schiffbaren Landwehrkanal ausgebaut wurde. Berlin war umgeben von einer Zollmauer (Akzise-Mauer), die etwas weiter nördlich verlief, zwischen dem Brandenburger Tor und dem Halleschen Tor. Um Waren, die in die Stadt gebracht werden sollten, mit einer Steuer belegen zu können, und um die Kosten des Chaussee-Baus und -erhalts wieder einzutreiben, wurde 1795 ein Chausseehaus (Zollhaus) an der Kreuzung der Chaussee mit dem Weg nach Lietzow (Lützowerweg), der heutigen Lützowstraße erbaut, in dem der Chausseewärter wohnte und von durchfahrenden Fuhrwerken, Kutschen und Reitern Gebühren erhob: Pferdekarren, je Pferd und Meile 1 Silbergroschen, Extrapost mit Passagieren und zwei Pferden: 9 Pfennig je Meile; reitende Pferde mit dem Reiter 3 Pfennig je Meile; Rindvieh zum Verkauf: 2 Pfennig je Stück. Für häufige Passagen von Anwohnern gab es eine Art Abonnement, und Militärpersonen (Offiziere) passierten gratis. Nachts war das Tor geschlossen (mittendran vom 4. Januar 2021) (1).

Nicht nur die preußischen Chausseen wurde nach einem einheitlichen Schema gebaut, auch die Chausseehäuser wurden oft nach einem Normbauplan entworfen und glichen sich in ganz Preußen. Bild 1 zeigt so ein Chausseehaus von 1851, dieses stand an der nordwestlichen Stadtgrenze Richtung Alt-Reinickendorf (1).

Bild 1: Chausseehaus in Alt-Reinickendorf; aus (1), Seite 27

In einem Buch über „Schöneberg auf dem Weg nach Berlin“ (2) fand sich nun ein Gemälde eines unbekannten Künstlers mit einem Haus „Potsdamer- Ecke Lützower Wegstraße um 1850“ (Bild 2). Die Idylle in dem Bild – um das Haus herum ein Garten mit Bäumen, Kinder die am Gartenzaun spielen und schwatzende Nachbarn – lenkt ein wenig von dem Haus selbst ab, aber bei genauerer Inspektion zeigt dieses Haus eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den Kennzeichen des Chausseehauses in Bild 1. In Stadtplänen des frühen 19. Jahrhunderts wird an dieser Straßenkreuzung neben dem Elisabeth-Krankenhaus, dass ja auch ursprünglich ein Privathaus war (s. mittendran vom 19. Dezember 2022), meist nur das Zollhaus gezeigt.

Bild 2: Scan aus (2), Seite 42

1841 wird die Potsdamer Chaussee unbenannt in Potsdamer Straße, inzwischen waren in der „Kolonie“ auf Schöneberger Boden eine Reihe von Sommerhäusern gebaut worden; seit 1862 gehörte das Land südlich des Landwehrkanals bis etwa zur Grunewaldstraße zu Berlin. Die Zollstation wurde dorthin verlegt, und es entstanden in der Schöneberger Vorstadt zunächst Villen und später Mietshäuser. Ende 1874 wurden alle Zoll- und Mautstationen an den Ausfahrtstraßen von Berlin aufgegeben. Wir wissen zwar nicht, wann das ehemalige Chausseehaus abgerissen und durch ein neues, größeres Haus ersetzt wurde, im Bild scheint es aber noch bewohnt zu sein.

  1. Herbert Liman: Preußischer Chausseebau. Meilensteine in Berlin. Berliner Hefte 5. Berlin, Bauverlag, 1993
  2. Petra Zwaka: Schöneberg auf dem Weg nach Berlin. Berlin-Schöneberg (Eigendruck) 1998.

 

 

 

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