Das im ersten Spaziergang (mittendran vom 11. September 2023) abgedruckte Schwarz-Weiß-Bild des Hauses Ecke Lützowerwegstraße und Potsdamer Straße um 1850 bei Zwaka (1) hat uns keine Ruhe gelassen: Wer hatte das Bild und wann gemalt? Also haben wir uns auf die Suche nach dem Original gemacht. Eine Anfrage im Museum Schöneberg, das Frau Zwaka lange Jahre geleitet hatte, ergab einen ersten Hinweis auf die Quelle: Die Ausgabe von „Die weite Welt“ vom 8. August 1937 des Berliner Verlags August Scherl fand sich – nur – im Bestand des Schöneberger Antiquariats Wegner (Bild 1).
Dort war das Bild ebenfalls in schwarz-weiß abgedruckt, weiterhin ohne Quellenangabe. Die Bilder dieser Ausgabe trugen aber alle den Vermerk „Bildarchiv Scherl“. Das wiederum gehört heute zum Bildarchiv der Süddeutschen Zeitung – dem entsprechend fand sich dort das Schwarz-Weiß-Bild erneut, ebenso wie in dem mit dem SZ-Archiv kooperierenden amerikanischen Bildarchiv ALAMY; in beiden Archiven ist das Bild mit dem Titel „Lützowerwegstraße Ecke Potsdamerstrasse 117, heute 116a“ unter Nennung des Malers (Franz O´Brien), des Jahres der Entstehung (1849) sowie der Fotoreproduktion (1930) gelistet und erhältlich. In beiden Bildlegenden fand sich außerdem der Vermerk „Aus der Meyer-Cohn-Stiftung“. Letzteres deutet darauf hin, dass es sich nach wie vor in einer öffentlichen Sammlung befinden könnte – Bildarchive leben davon, solche öffentlichen Sammlungen abzufotografieren und die Fotos Interessierten zur Verfügung zu stellen, gegen Gebühr natürlich. Es lohnt sich daher, in solchen Fällen die primären Quellen zu suchen. In diesem Fall reichte eine Anfrage bei der Stiftung Stadtmuseum Berlin (2), wo sich in der Tat das Bild fand, mit der Größenangabe (Öl auf Pappe, 22x27cm) und diesmal in Farbe (Bild 2) – dafür den herzlichsten Dank an Robert Weil und die Kolleg*innen von der Stiftung Stadtmuseum. Nach deren Informationen hing das Bild im Ermelerhaus (Breite Straße 11), das bis 1945 zum Märkischen Museum gehörte, und mag von dort als Pressefoto in die Bildarchive gelangt sein.
Die Benennung (Potsdamerstraße 117, später 116a) muss allerdings nicht stimmen, ebensowenig wie unsere erste Zuschreibung als Chausseehaus: Laut Adressbuch war die Straßensituation im Jahr 1849 derart, dass der östliche Teil der heutigen Lützowstraße, von der Potsdamer Straße an gerechnet, Lützowerwegstraße genannt wurde (mittendran vom 14. April 2022), während die Verlängerung des Lützower Wegs nach Westen noch keine Bebauung und keinen Namen hatte. Die Hausnummer 117 lag auf der östlichen Seite der Potsdamer Straße, südlich der Lützowerwegstraße, die Zollstation lag dagegen auf der westlichen Seite (Bild 3). Der Titel („117, heute 116a“) deutet darauf hin, dass er nicht der Titel des Originals war, sondern später zugefügt wurde: erst im Adressbuch ab 1865 wurde die Hausnummer 117 zu 116a; dies war noch bis 1937 der Fall, dann wurde die ganze Potsdamer Straße neu nummeriert: rechts gerade, links ungerade Hausnummern. Möglich ist, dass der Titel erst mit dem Erwerb des Bildes durch die Meyer-Cohn-Stiftung festgelegt wurde, dessen Datum wir nicht kennen.
Gegenüber der Schwarz-Weiß-Aufnahme erlaubt das farbige Original eine bessere Lokalisierung durch die Schattenbildung: Die Hausfront liegt im Schatten, die Sonne scheint von rechts in das Bild, nimmt man die Schatten der Bäume und der Schornsteine. Geht man davon aus, dass dies die Abendsonne ist (weil die Hausfrauen, Kinder und Nachbarn im Bild dafürsprechen: es ist Feierabend), zeigt die Hausfront nach Norden, kommt die Sonne von Westen, und führt die Potsdamer Chaussee links hinter dem Haus nach Süden. Dann aber müsste es das Haus Nr. 33 (blauer Punkt) sein, das der Maler im Bild festgehalten hat, an dem noch nicht als Straße erkennbaren Weg nach Lützow. Dies stimmt dann auch eher mit der Anzahl der Bewohner (Familien) der genannten Häuser. Soweit unsere augenblickliche Vermutung, bis zum Beweis des Gegenteils.
1. Petra Zwaka: Schöneberg auf dem Weg nach Berlin. Berlin-Schöneberg (Eigendruck) 1998.
2. Stiftung Stadtmuseum