Die Badeanstalt, die wir heute besuchen, lag ursprünglich in einem Vergnügungspark mit dem Namen Elysium, der sich zwischen dem Tiergarten und dem Landwehrkanal (der damals Schafgraben hieß) erstreckte, auf der gesamten Länge der heutigen Stauffenbergstraße (Bild 1) (1). Der Eigentümer Carl Heinzelmann, ein verhinderter Dichter (2), bot hier dem Berliner Publikum die ersten Karussells: eine „Luftfahrbahn“, die laut Zeichnung einem Kettenkarussell ähnelte, und ein von Pferden gezogenes „Caroussel“ (Bild 2); ferner gab es einen Gartensaal, einen Säulensaal, ein Wohnhaus, einen Delikatessenladen und eben die Badeanstalt mit je 6 Badezimmern für Männer und Frauen und eigener Gasanstalt zur Beheizung des Wassers. Heinzelmann hatte offenbar Großes vor: Engagement von „Künstler und Kunst-Gesellschaften zu Festspielen, Pantomimen, Baletten, acrobatischen, Reit- und anderen Vorstellungen, die zur Belustigung des hohen und gebildeten Publicums, sowohl im Locale als im Freien geeignet sind“ (3).
Die Anlage wurde am 23. und 25. Juli 1830 mit einem großen Feuerwerk eröffnet. Dafür hatte der Besitzer zwar wohl keine Genehmigung, aber die Polizei ließ ihn gewähren, um das zahlreiche Publikum nicht zu enttäuschen (1). Noch im gleichen Monat stellte Heinzelmann den Antrag, das Feuerwerk zweimal die Woche abzubrennen und ließ eine Tribüne für bis zu 1000 Personen bauen (Bild 2) – nicht viel später fing der Ärger an: Nachbarn beschwerten sich über die wartenden Droschken an ihren Häusern, das Kettenkarussell musste aus technischen Gründen stillgelegt werden und am 7. Juni 1833 brannte die ganze Anlage ab durch ein fahrlässig – oder absichtlich? – verursachtes Feuer im sogenannten chinesischen Saal. Die Versicherung zahlte 15.000 Taler, aber der unversicherte Schaden betrug ca. 30.000 Taler. Heinzelmann wusste sich zu helfen: Besichtigung der Brandstelle in der folgenden Woche erbrachte immerhin 700 Taler; bei einem Eintrittspreis von 4 Groschen (30 Groschen auf einen Taler) machten offenbar einige Tausend Familien von dieser Möglichkeit Gebrauch (4). Bereits im folgenden Jahr eröffnete Heinzelmann die Anlage neu, auch ein Sommer-Theater öffnete wieder, aber 1835 verkaufte er Grund und Boden an den Ratsmaurermeister Johann Christoph Bendler (1789-1873).
Dieser ließ entlang der nun nach ihm benannten Privatstraße einige Villen bauen, behielt aber die Badeanstalt bei und baute sie aus; sie erhielt den Namen Marienbad (Bild 3). Mit Bendler änderte sich die Badeanstalt: Anlage einer Mineralwasser-Trinkanlage, Kühlanlagen für das Mineralwasser, Kolonnaden zum Flanieren, neue Toilettenanlagen. Wie er schrieb, nutzten vor allem Gäste, die den Sommer über in Sommerhäusern des Tiergarten wohnten, die Badeanstalt, seine Schwiegermutter servierte Getränke an die weiblichen Gäste, „weil dieses Bad fast lediglich nur von Damen besucht, sehr wenige Herren aber daselbst baden“ (5) (Bild 4). Es gab Frühkonzerte, später wurde damit geworben, dass hier keine Musikveranstaltungen stattfanden, so dass das Marienbad ein Treffpunkt der Berliner Schachfreunde wurde. Aufgrund nachlassender Besucherzahlen – die Ostseeküste wurde durch die Eisenbahn für Berliner*innen erreichbar – wurde 1842 ein Teil der Badeanlage in Sommerwohnungen umgebaut, und 1847 ein Restaurant eingerichtet, das auch für externe Gäste offen war. Aber die Anlage war nur im Sommer geöffnet, nach 1852 erschien sie Bendler nicht mehr rentabel und er verkaufte sie an den Apfelwein-Fabrikanten Johann Christian Petsch, „der auch den restlichen Teil des Bades zu Sommerwohnungen umbauen ließ“ (5). Der wollte zwar noch eine neue Badeanstalt errichten, aber inzwischen war das Interesse an Wohnhäusern in diesem Teil der Stadt – seit 1862 Teil des Stadtgebietes von Berlin – so groß, dass die großen Gärten und Parks verschwanden und Platz machten für die exklusiven Villen, die gerade das Tiergartenviertel bis zum 2. Weltkrieg prägten (5).
Literatur
- Fritz Monke, Rudolf Eschwe, Dorit Lehmann: Die Tiergartenstraße – ein Stück Berliner Geschichte. Raebel Werke Berlin 1975; auf der Basis der Bauakten im Landesarchiv Berlin zu den Grundstücken Stauffenbergstraße 37 und Tiergartenstraße 12: B Rep. 202 Nr. 3224 und A Rep. 010-02 Nr. 32268.
- Eine Gedichtsammlung von Heinzelmann mit dem Titel Elysium (Berlin 1936) wird elegant zerrissen in “ Repertorium der neuesten in- und ausländischen Litteratur“, Band 10 (1836) herausgegeben von Christian Daniel Beck, Seite 423.
- Anzeige in der „Staats- und gelehrten Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten“ vom Mittwoch, den 3. April 1833, Seite 8.
- Notiz in „Der Kölnische Correspondent“ vom Dienstag, den 18. Juni 1833, Seite 1.
- Hartwig Schmidt. Das Tiergartenviertel. Baugeschichte eines Berliner Villenviertels. Teil I: 1790-1870. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1981, Seite 124-126.