Spaziergang in die Vergangenheit (16): Das Caféhaus Eduard Prüfer

Im letzten Spaziergang (mittendran vom 18. Juni 2024) hatten wir eine Reihe von Gaststätten entlang des Schafgrabens (später: Landwehrkanal) erwähnt, die Ausflugsziele der Berliner im frühen 19. Jahrhundert waren. Heute nun ein weniger bekanntes Gasthaus an der Potsdamer Chaussee.

Das Bild vom „Caffehaus und Billard Eduard Prüfer“ (Bild 1) findet sich in verschiedenen Publikationen, wenn es um Schöneberg geht, z.B. bei Zwaka (1). Meist muss man aber den Namen über der Tür mühsam entziffern, um zu erfahren, wie der Gasthof hieß und wer sein Eigentümer war und wo er lag, erfährt man oft auch nicht: Potsdamer Straße 103 sagt das Adressbuch, zumindest bis zur Umnummerierung 1938, heute wäre das die Hausnummer 109 (da ist jetzt Nazars Supermarkt). Wann und wie lange das Gasthaus dort stand, wollen wir herausfinden.

Bild 1. Das Caffehaus Eduard Prüfer. Nach einem Gemälde eines unbekannten Malers. (Scan aus (1), Seite 36).

Erstmals im Berliner Adressbuch wird das Gasthaus 1833 erwähnt: C.H.E. Prüfer, Tabagist, Adresse: Alt-Schöneberg Nr. 43 (später war dies die Nr. 49). Tabagisten waren Inhaber einer Tabagie, einer Gaststätte, in der das Rauchen erlaubt war – Rauchen war ansonsten ein nur begrenzt öffentlich zugelassenes Verhalten, zumindest vor 1848.

Zu diesem Zeitpunkt gehörte das Gelände südlich des Schafgrabens (des späteren Landwehrkanals) zu Schöneberg, die Schöneberger Feldmark. Die Grundstücke entlang der westlichen Seite der Potsdamer Chaussee vom Dorf Schöneberg (von der Dorfaue, dort wo heute noch die alte Dorfkirche steht) nach Norden wurden aufsteigend bis zum Schafgraben nummeriert (an der Ecke zum Kanal war die Nr. 41) und liefen auf der östlichen Seite zurück zum Dorf – die Nummer 49 war etwa dort, wo heute die Kurfürstenstraße auf die Potsdamer Straße stößt. Die Potsdamer Chaussee wurde 1841 in Potsdamer Straße umbenannt (s. mittendran vom 30. Dezember 2023), gleichzeitig wurde die Nummerierung neu organisiert und das Prüfersche Haus erhielt die Nummer 103. Als der Mühlenweg (vom Halleschen Tor zur Potsdamer Chaussee) im Rahmen des Hobrecht-Planes 1862 zur Teltower Straße wurde, lag das Haus an der nord-östlichen Ecke der Potsdamer und Teltower Straße (Bild 2), und die wurde 1863 der Kurfürstenstraße (westlich der Potsdamer) zugeschlagen.

Bild 2. Landkarte (Ausschnitt) des Hobrecht-Plans von 1862, Section III. Eingezeichnet sind die geplanten neuen Straße auf einer Karte vorhandener Grundstücke (rosa) und Wege (beige). Dieser Teil der Kurfürstenstraße hieß zuerst Teltower Straße und entspricht dem Verlauf des Mühlenwegs; sie wurde 1863 der Kurfürstenstraße zugeschlagen. Das Grundstück der Familie Prüfer lag an der nord-östlichen Ecke der Kreuzung von Teltower und Potsdamer Straße.

Der wohl letzte Schöneberger Historiker, der die Katasterbücher Alt-Schönebergs studiert und ausgewertet hat, war Wilhelm Feige (2). Er listet Carl Heinrich Eduard Prüfer, Gastwirt, als Eigentümer eines Grundstücks von 124 Quadrat-Ruten (QR) 28 Quadrat-Fuß (QF), „abgezweigt vom Wendbachschen Parzellengute … (Grundbuch II, 77, 172)“, und nennt im Jahr 1834 die Hausnummer Schöneberg 49d. Die Grundstücke 49a und 49b (jeweils 85 QR) gehörtem dem Architekten Eduard Knoblauch, der hier für sich und für den Architekten Stüler 1835 ein Sommerhaus baute (3). Eine preußische QR sind etwas mehr als 14 Quadratmeter (qm), Prüfer hatte also ein Grundstück von etwa 1800 qm zur Verfügung, ausreichend für ein Einzelhaus mit großem Garten (s. Bild 1).

Eduard Prüfer wurde am 15. Oktober 1803 als Sohn des Schneidermeisters Johann August Friedrich Prüfer und dessen Ehefrau Dorothea Louisa, geb. Neumann geboren; die Familie wohnte in Berlin, Papenstraße 3. Es ist nicht genau auszumachen, wann Eduard Prüfer sich in Schöneberg niederließ (dazu müsste man die Kataster-Akten studieren), aber ab 1833 wird Eduard Prüfer mal als Gastwirt, mal als Tabagist, mal als Cafetier oder als Restaurateur bezeichnet. Er heiratete zweimal: Die erste Ehe wurde 1831 mit Caroline Wilhelmine Auguste Jacobi (1804 – 1836) geschlossen, Tochter eines Schlossermeisters. Sie hatten drei Kinder: zwei Jungen und ein Mädchen, das aber 1856 mit zwanzig Jahren an Schwindsucht (Tuberkulose?) starb. Seine Frau starb 1836, fünf Monate nach der Geburt des dritten Kindes. Aus der zweiten Ehe, 1837 mit Emilie Rühl (1811-1891) geschlossen, stammten elf Kinder, von denen fünf vor Erreichen des fünften Lebensjahres starben, vier allein in den Jahren 1844 und 1845 an verschiedenen Infektionskrankheiten.

Im März 1855 wurde Carl Heinrich Eduard Prüfer zum Schiedsmann des 14. Bezirks (Alt-Schöneberg) verpflichtet. In dieser Funktion war er beteiligt an der Einrichtung der Straßenbeleuchtung auf Schöneberger Boden. Berlin hatte seit 1826 Gaslaternen an den wichtigsten Straßen der Stadt. Als jedoch der Druckereibesitzer Eduard Hänel in der Lützowstraße im Jahr 1853 der Stadt vorschlug, die Gasbeleuchtung diesseits des Landwehrkanals auf eigene Kosten zu organisieren (mittendran vom 7. August 2023), bekam er einen abschlägigen Bescheid – weil inzwischen die Gemeinde Schöneberg mit dem englischen Unternehmen „Imperial Gas“ über eine eigene Gasanstalt verhandelte. Daran war natürlich auch der Gastwirt Prüfer interessiert, diente die Beleuchtung doch auch der Sicherheit seiner Gäste, vor allem in der dunklen Jahreszeit. Und so kam es, dass Eduard Prüfer einer der Einwohner Schönebergs war, der den auf 50 Jahre geschlossenen Vertrag der Gemeinde mit dem Gasunternehmen mitunterschrieb.

Im Jahr 1862 wurde die Schöneberger Vorstadt Teil von Berlin, das nun bis zur Grunewaldstraße reichte. Daher griffen auch hier die Bauvorschriften, die es seit 1855 erlaubten, geschlossene Häuserfronten mit mehrstöckigen Häusern und ggfls. Seitenflügeln zu bauen statt Einzelhäuser. So veränderte sich auch das Gesicht der Potsdamer Straße: auf den Grundstücken 101 bis 103 wurde gebaut, die Grundstücke wurden geteilt und es zogen mehr und mehr Mieter ein.

Eduard Prüfer starb am 13. Februar 1874, er wurde 71 Jahre alt. Seine Witwe (Emilie Prüfer geb. Rühl, Ww., Rentiere, Potsdamer Str. 101 bis 103) steht im Adressbuch von 1875 bis 1879. Sie verkaufte Teile der Immobilien, es wurde neu gebaut und aufgestockt, vor allem wurde vermietet, bis schließlich 1890 von der Familie Prüfer hier niemand mehr nachweisbar ist. Auch eine Gastwirtschaft gab es seit 1876 an dieser Adresse nicht mehr.

Literatur

  1. Petra Zwaka: Schöneberg auf dem Weg nach Berlin. Historische Pläne, Texte und Fotografien. Ein Bilder- und Lesebuch. Berlin-Schöneberg, Eigendruck 1987.
  2. Wilhelm Feige: Rund um die Dorfaue. Ein Beitrag zur Geschichte Schönebergs. Berlin/Leipzig 1937.
  3. Azra Charbonnier: Carl Heinrich Eduard Knoblauch 1801 – 1865. Architekt des Bürgertums. Deutscher Kunstverlag München-Berlin 2007.

Paul Enck

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