Spaziergang in die Vergangenheit (17): Café an der Mühle von Müller und Schultze

Heute besuchen wir eine Gaststätte, die im Jahr 1850 bei einer Windmühle im Lützow-Viertel lag und deren Bild (Bild 1) wir zufällig in einem Buch von 1939 gefunden hatten (1). Das Bild ist nach einem Ölgemälde von Theodor Alexander Weber (1838-1907). Weber wird mit 15 Jahren (1853) Schüler des Marinemalers Wilhelm Krause und geht 1855 nach Paris – das Bild muss also vor dieser Zeit entstanden sein. Die Bildunterschrift sagt, dass es sich um die „Müller-Müller´sche Gastwirtschaft an der Lützowstraße um 1860“ handeln soll, aber diese Beschreibung ist später entstanden, noch hieß die Straße Lützowerweg bzw. Lützower Wegstraße. Auf der abgebildeten Hausmauer des Grundstücks steht aber darüber hinaus „Müller u Schultze“ oder „Müller – Schultze“, so dass es sich entweder um ein gemeinsam betriebenes „Caffe“ zweier Müller mit Namen Müller und Schultze oder eines von „Müller Schultze“ handelt (wir neigen zu der ersten Interpretation). Hier konnte man offenbar kegeln und Mehl kaufen, man durfte rauchen (Tabagie) und konnte eigenen Kaffee kochen, Wasser und Feuer wurden bereitgestellt: Kaffee (oder dessen Ersatz, Zichorie) war nach wie vor ein Luxus, den sich nicht jeder leisten konnte.

Bild 1: „Caffe und Gasthaus“ nach einem Gemälde von Theodor Weber (aus: (1), Tafel V).

Um 1830 befanden sich auf dem Gelände zwischen Lützowerweg (heutige Lützowstraße) und dem (Blum´schen) Mühlenweg (heute Kurfürstenstraße) neun Windmühlen, und zwar die von Ismar, Müller (zweimal), Weber, Blume, Poppe (Bobbe), Gerlach, Gemberg und Schulze (2). Das Adressbuch von 1855 nennt elf Mühlen zwischen dem Halleschen Tor und dem Potsdamer Tor. Die Karte von 1862 (Hobrecht-Plan, Sektion III) (Bild 2) zeigt sieben dieser Mühlen entlang eines Weges, dessen Verlauf ungefähr der heutigen Kurfürstenstraße entspricht, Mühlenweg hieß und seinerzeit als Teltower Straße neu geplant wurde. Die Mühlen standen auf einem Höhenzug.

Bild 2. Hobrecht-Plan, Sektion III (Auszug) von 1862, projiziert auf die Grundstücke der Schöneberger Feldmark. Die Karte ist gedreht, oben ist Osten. Nicht alle geplanten Straßen wurden auch gebaut, die Straße Nr. 4 folgte dem Verlauf des Mühlenweges und sollte Teltower Straße heißen, wurde aber die spätere Kurfürstenstraße. Rot markiert sind sieben der neun Mühlen entlang des Weges, die blau markierte ist vermutlich die Mühle, zu der das „Caffe-Haus“ gehörte

 

Die (älteren, Schöneberger) Hausnummern 45, 46 und 47 entlang der Potsdamer Chaussee gehörten den Müllern Christian Friedrich Müller (Nr. 45), August Schulze (Nr. 46) und Christian Friedrich Weymar (Nr. 47) (1). Die Nr. 48 lag noch nördlich der Kurfürstenstraße, die Nr. 49 südlich davon (s. mittendran vom 14. Juli 2024), also lagen die Mühlen von Müller und Schulze zwischen Lützow- und Kurfürstenstraße, etwa auf Höhe der heutigen Pohlstraße (früher: Steglitzer Str.), aber mehr in Richtung des Bahngeländes (die Flottwellstraße hieß in diesem Teil noch Wörlitzer Str.)

Eine dieser Mühlen ist also hier abgebildet (siehe Bild 1). Im Adressbuch ist das Café Müller erstmals 1854 gelistet (Alt-Schöneberger Feldmark 45, was mit der Beschreibung bei Feige (2) übereinstimmt), aber die Mühle ist sicherlich vorher da gewesen. Christian Friedrich Müller, „früherer Mühlenmeister und Cafetier“, starb laut einer Anzeige in der Nationalzeitung im September 1866 in seinem Haus in der Steglitzer Straße 2, was gemäß der Karte (Bild 2) etwa der markierten Mühle entspricht.

Literatur

  1. Paul Torge: Rings um die alten Mauern Berlins. J.A.Stargardt Verlag, Berlin 1939 (Tafel V)
  2. Wilhelm Feige: Rund um die Dorfaue. Ein Beitrag zur Geschichte Schönebergs. Berlin/Leipzig 1937 (Seite 105)

Paul Enck

2 Kommentare

  1. Tut mir leid, die Karte ist riesig groß, ud dies ist nur ein Ausschnitt – das lässt leider das Format nicht zu, wnn SIe mir eine Mail schicken an paul.enck@proton.me, kann ich Ihnen gern die Karte zusenden für Ihren privaten Gebrauch.
    MfG, PE

  2. Vielen Dank für diesen wertvollen Fund! Gibt es die Möglichkeit, die Abbildungen in besserer Qualität einzubinden? Besonders auf der zweiten Abbildungen kann ich leider nicht viel erkennen. Vielen Dank!

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