Heute machen wir einen Spaziergang durch das ganze Viertel und besuchen die verschiedenen Mitglieder der Künstlerfamilie Begas, die hier gewohnt und gearbeitet haben. Da es eine große Familie war, wird es auch ein langer Spaziergang werden.
Wir beginnen in der Kolonie „Auf dem Carlsbade“ (heute: Am Karlsbad). In der Nr. 10 hatte Carl-Joseph Begas (1794-1854), Professor an der Kunstakademie in Berlin, seit 1832 ein Haus, direkt neben dem des Architekten Wilhelm Stier (1799-1856). Begas war 1825 nach Berlin gekommen und hatte zunächst in der Friedrichstadt gewohnt. Und weil er eine große Familie im Sinn hatte (er kam aus einer großen Familie), wurde auch das Haus groß. Es wurde vom Architekten Christoph Gottlieb Cantian (1794-1866) entworfen (Bild 1) und hatte 180 qm Grundfläche auf drei Etagen; in der untersten („Souterrain“) waren Lagerräume und im Sommer die Räume für die Kinder, die oberste enthielt die Atelierräume, von denen bereits die Zeitgenossen schwärmten (1) und die die preußischen Könige (Friedrich III., Friedrich Wilhelm IV.) mehrfach mit ihrem Besuch beehrten. Ein Gartenhaus entwarf der Architekt Friedrich August Stüler (1800-1865) (2). Das Haus muss ebenso imposant gewesen sein wie die „Stierburg“ nebenan (1) (mittendran vom 28. Juni 2024).
Carl-Joseph Begas, der sich zunächst Begasse schrieb, noch im Taufeintrag seines ersten Kindes, der aber seinen Namen bereits während eines Studienaufenthaltes in Italien „eingedeutscht“ hatte, war in Heinsberg in der Nähe von Aachen zur Welt gekommen, wo auch heute ein Begas-Museum steht (3). Er hatte 1826 in Berlin die Friederike Wilhelmine Amalie Bock (1800-1872) (Bild 2) geheiratet, Tochter des königlichen Schlossbaumeisters Johann Ludwig Bock, mit der er 10 Kinder zeugte, wobei das erste Kind (1826), ein Junge, tot zur Welt kam und das zweite (1827), ein Mädchen, nur wenige Tage lebte. Zwei weitere Mädchen (Veronika, geboren 1834 und Susanne, geboren 1839) starben im Alter von 10 bzw. 8 Jahren.
Wer nicht malt oder meißelt, wird vergessen
Vier der verbleibenden sechs Jungen hatten offenbar das künstlerische Talent des Vaters geerbt und wurden Maler bzw. Bildhauer: Oskar (1828-1883) und Adalbert (1836-1888) bzw. Reinhold (1831-1911) und Carl (1845-1916). Diese vier werden daher auch in allen kunstgeschichtlichen Werken erwähnt.
Die verbleibenden zwei werden dagegen oftmals nur marginal oder gar nicht genannt (3-5), auch die Familiengenealogie im Heinsberger Museum (6) erwähnt sie kaum. Dabei dokumentieren sie, was in Preußen zu dieser Zeit galt: Wer nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten kann, weil die Stiefel zu groß sind, der geht zum Militär:
Alfred (geboren 1830) strebte eine militärische Karriere an: Nach einer einjährigen Wehrpflicht (Bild 3) trat er in die Armee ein, wurde am 4. November 1851 zum Seconde-Lieutnant im 20. Landwehr-Regiment ernannt, kam 1853 in das 39. Infanterie-Regiment, stationiert in Mainz, und blieb dort bis September 1858, dann wurde er – mit Pension – aus der Armee entlassen. Er starb als Leutnant a.D. und Bankbeamter am Samstag, den 21. Juli 1860 und wurde, auf Anordnung des Arztes, gleich am Montag, den 23. Juli beerdigt. Er hatte sich im Winter zuvor in Ägypten möglicherweise eine tropische Infektion zugezogen („Nervenfieber“, daher die Anordnung des Arztes) und hatte auf der Rückreise von Kairo im Mai 1860 noch einen Kuraufenthalt in Graz eingelegt; er verbrachte die letzten Tage im Haus seiner Mutter (sein Vater war einige Jahre zuvor verstorben), Am Carlsbad 13.
Sein drei Jahre jüngerer Bruder Hellmuth (1833-1893), von dem es ein niedliches Kinderporträt gibt, gemalt von Oskar, machte das Abitur am französischen Gymnasium in Berlin und danach eine Karriere beim Militär: er war zuletzt königlicher Hauptmann und Bezirkskommandeur des 6. Brandenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 52 (Bild 4). Er starb am 6. Februar 1893 in Kösen – er war verheiratet mit Elise Minameyer und hatte zwei Söhne, auch die wurden keine Künstler.
Die Witwe Begas bleibt Am Carlsbad
Am 24. November 1854 starb Carl Joseph Begas im Alter von 60 Jahre an einem „Brustleiden“ – vermutlich an einer verschleppten Lungenentzündung (7). Das Haus Am Carlsbad 10 ging in das Eigentum der Witwe Begas, geborene Bock, über, die hier noch zwei weitere Jahre wohnte, so wie ihre noch unmündigen Kinder (Carl, Adalbert und Hellmut). Reinhold, 24 Jahre alt, wohnte noch hier, hatte allerdings bereits seit 1853 ein eigenes Atelier in der Matthäikirchstr. 9. Im Jahr 1857 wohnte die Witwe dann in einem anderen Haus Auf dem Carlsbade 13 (s. Bild 1), das sie offenbar gekauft hatte, ebenso wie Reinhold und Albert. An dieser Situation änderte sich dann nichts mehr bis 1870, als durch Umnummerierung der Häuser am Karlsbad aus der Nr. 10 die Nr. 21 und aus Nr. 13 die Nr. 26 wurden. Nach dem Tod von Wilhelmine Begas am 9. November 1872 – sie starb an einer „Lungenlähmung“ im Alten von 71 Jahren und 3 Monaten – wurde dieses Haus offenbar aufgegeben, ab 1873 gehörte es einem Baumeister Heyden.
Oskar (1828 -1883) übernimmt Elternhaus und Atelier
Carl Hiob Oskar (Bild 5) blieb nach dem Tod seines Vaters im elterlichen Haus Am Carlsbad 10 wohnen und übernahm auch das Atelier, nachdem er im Jahr zuvor (ab 1. April 1855) zunächst eine Wohnung am Carlsbad 4 und ein Atelier in der Matthäikirchstraße 2 gemietet hatte. Oskar hatte früh im Atelier des Vaters angefangen zu zeichnen, hatte Studienaufenthalte in Dresden und Rom absolviert, und heiratete 1855 Marie-Elise Beerend (1833-1883), mit der er zehn Kinder hatte, sechs Mädchen und vier Jungen (7). Er wurde als Porträt-Maler bekannt, porträtierte die eigene und andere Familien, erhielt lukrative Aufträge der Berliner Prominenz, und malte Kolossalgemälde und Wandbilder in öffentlichen Gebäude und privaten Villen. 1860/61 war er Schriftführer des Vereins Berliner Künstler, 1866 wurde er zum Professor ernannt und 1869 Mitglied der Akademie der Künste. Er hatte jedoch keine eigene Klasse an der Akademie; stattdessen unterrichtete er Schüler daheim. Er war einer der wenigen männlichen Unterstützer des Vereins Berliner Künstlerinnen und Kunstliebhaberinnen (VdBKK) (8), der bis 1883 in den Räumen des Kunstgewerbemuseums residierte, bevor er an die Potsdamer Straße zog (siehe mittendran am 18. Mai 2024).
Die Familie Begas wohnte im Sommer seit 1871 in einem Sommerhaus der neuen Villenkolonie Alsen am Kleinen Wannsee (9). Im Jahr 1882 wurde das Grundstück Am Karlsbad 21/22 verkauft, und man zog über den Landwehrkanal in die Hildebrandsche Privatstraße 4 (heute: Hildebrandstraße), aber schon 1885 – nach dem Tod von Oskar – zog die Witwe zurück in die Magdeburger Straße 20, wo sie bis 1889 nachweisbar war. Danach wohnte sie offenbar am Wannsee bei ihrer Tochter Susanne, seit 1874 war die Kolonie durch die Wannseebahn an Berlin angeschlossen (9). Oskar starb im Alter von 55 Jahren am 10. November 1883 an einem Herzschlag und hinterließ die Witwe und neun Kinder. Seine Witwe starb am 10. November 1895; beide sind auf dem Friedhof Berlin-Wannsee begraben. Drei der Kinder zeigen früh künstlerische Ambitionen, aber nur „Fritz“ wurde eine bekannter Gartenarchitekt (Friedrich Wilhelm Begas, 1871-1937).
Literatur
- Ludwig Pietsch: Reinhold Begas. Gartenlaube 1891, 788-791.
- https://architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/index.php?p=79&POS=1
- https://de.wikipedia.org/wiki/Oscar_Begas
- Irmgard Wirth: Die Künstlerfamilie Begas in Berlin. Achte Veröffentlichung des Berlin-Museums. Berlin 1968.
- Wolfgang Cortjaens, Hrg. Familienbande. Der Briefwechsel von Carl Joseph Begas d. Ä. mit Oscar Begas 1840-1854. Böhlau-Verlag, Köln 2018.
- Begas-Haus in Heinsberg: https://begas-haus.de/
- Wolfgang Cortjaens: Oscar Begas 1828-1883. Ein Berliner Maler zwischen Hof und Bourgeoisie. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2017.
- https://www.vdbk1867.de/geschichte/
- Nils Aschenbeck: Villen in Berlin – Kleiner Wannsee. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011.