Spaziergang in die Vergangenheit (25): Die Tankstelle am Lützowplatz

Dieses fast romantische Bild einer Tankstelle am Lützowplatz (Bild 1), mit den vielen Bäumen und dem Herkulesbrunnen im Herbstnebel, ist verhältnismäßig leicht zu datieren: Die RKS (Reichskraftsprit-Gesellschaft) wurde 1925 gegründet, um „den aus Kartoffeln hergestellten Agraralkohol (heute: Bio-Ethanol genannt) als Ottokraftstoff zur Stützung der Landwirtschaft zu vermarkten“ (1). Unter den Herstellern von Kraftstoffen in Deutschland war er der kleinste an 7. Stelle (Marktanteil 1935: 4.3%) (2).

Bild 1: Die Tankstelle am Lützowplatz (Fotoquelle: TU Architekturmuseum, Hans Poelzig (1869-1936, als Architekt), Fotograf: Emil Leitner (1887-1953) um 1925, Inventar-Nr. F 16800, gemeinfrei).

In den Jahren 1927-1928 entwarf der Architekt Hans Poelzig (1869-1936) für die RKS eine Tankstelle (Bild 2). Poelzigs bekannteste noch existierende Gebäude in Berlin: das Kino Babylon von 1929 am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte und das Haus des Rundfunks von 1931 im Westend.

Bild 2: Tankstellenentwurf (1927–1928) für die RKS von Hans Poelzig, Perspektivische Ansicht des Wärterhauses, großer Typ (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)

Tankstellen im heutigen Sinne gab es bis 1923 gar nicht, stattdessen wurde Petroleum und Benzin in Fässern in Kellern oder Hinterhöfen gelagert, und als diese Lager immer größer und zahlreicher wurden, wurde polizeilich verfügt, dass dies aus Sicherheitsgründen nicht mehr erlaubt sei. Dies löste eine Schwemme von einzelnen Tanksäulen am Straßenrand wie die im Bild 1 im ganzen Land aus (1935: 55.000, nach dem „Anschluss“ Österreichs weitere 9.000), die viele Apotheken, Kolonialwarenhändler, Werkstätten und Privatpersonen als Nebenerwerb betrieben: „Jede Tankstelle versorgte nun [1939] statistisch gesehen im Schnitt 28 Autos und 29 Krafträder“ (2) – kaum vorstellbar unter heutigen Motorisierungsbedingungen. Das Foto dürfte zwischen 1925 und 1927 entstanden sein.

Die Lokalisierung der Tankstelle ist etwas herausfordernder: Rechts scheint der Landwehrkanal zu sein, die Straße macht einen leichten Bogen nach rechts, zur Herkulesbrücke hin, die man rechts vom Baum durchscheinen sieht. Hinter dem Herkulesbrunnen sind Wohnhäuser am Lützowplatz sichtbar, dazwischen eine Straßenlücke, vermutlich die Schillstraße zwischen der zweiten und dritten Seite des Platzes (s. mittendran vom 26. Januar 2025). Die Tankstelle lag also vermutlich am Lützowufer kurz vor der Lützowbrücke (Bild 3).

Bild 3: Luftaufnahme des Lützowplatzes von 1928. Der Kreis markiert die vermutete Lokalisierung der Tankstelle, die Pfeile den Blickwinkel der Aufnahme in Bild 1 über den Lützowplatz.

Literatur:

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Reichskraftsprit
  2. Joachim Kleinmanns: Super, voll! Kleine Kulturgeschichte der Tankstelle. Jonas Verlag Marburg 2002 (S.47)

Paul Enck

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