Spaziergang in die Vergangenheit (26): Die Kreuzung

Die Kreuzung der Potsdamer Straße mit der Lützowstraße gibt heute vielleicht kein eindrucksvolles Bild mehr ab, aber in der Vergangenheit ist sie sicherlich zu den meisten Zeiten das Herzstück des Kiezes gewesen, und das lässt sich auch mit Bildern zeigen.

Die älteste Abbildung der Kreuzung hatten wir schon mal gezeigt (Bild 1):  Der Maler Franz O`Brien hatte 1849 das Haus an der süd-westlichen Ecke der Kreuzung gemalt, als die Lützowstraße noch Lützowerwegstraße hieß (lesbar auf dem Straßenschild am Haus) und die Potsdamer Chaussee dahinter, auf der linken Seite, noch mit Bäumen gesäumt war (mittendran vom 28. September 2023). Gegenüber dem gezeigten Haus auf der nord-westlichen Ecke der Kreuzung stand noch bis 1862 das Chausseehaus für die Straßenmaut; leider haben wir für dieses Haus bislang keine Abbildung gefunden.

Bild 1: Die süd-westliche Ecke der Kreuzung mit einem Einzelhaus, gemalt von Franz O´Brien 1849 (mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Stadtmuseum, Inv.-Nr.: VII 60/286).

Fünfzig Jahre später hat sich die Kreuzung völlig verändert: Aus den einzelnen Villen und Häusern am Straßenrand, mit viel Land hinter jedem Haus, sind geschlossene Häuserfronten geworden von mehrstöckigen Mietshäusern, mit Seiten- und Querflügeln auf den langen Grundstücken und mit Geschäften und Restaurants im Erdgeschoss. Die beiden Fotos aus der Zeit um 1900 zeigen die nord-westliche und nord-östliche Kreuzung der beiden Straßen, inzwischen mit Schienen für die Pferde – und ab 1902 für die elektrische Straßenbahn (Bild 2 und 3).

Bild 2: Die nord-westliche Ecke der Kreuzung, Blick in die Potsdamer Strasse (Bildpostkarte um 1930 aus der Sammlung Ralf Schmiedecke).

Bild 3: Die nord-östliche Ecke der Kreuzung (Bildpostkarte um 1900, Auszug, aus der Sammlung Ralf Schmiedecke).

Und noch mal dreißig Jahre später, 1930, in den Jahren unmittelbar vor der Machtergreifung der Nazis, erlebt das Viertel und seine wichtigste Straßenkreuzung einen weiteren Wandel: die Zunahme des Verkehrs nötigt 1926 die Einrichtung einer Verkehrsampel über der Kreuzung, die hier noch durch einen Polizisten von Hand bedient wird (Bild 4).

Bild 4: Die nord-östliche Ecke der Kreuzung mit der neu installierten Ampel, die noch von Hand durch den Polizisten bedient wird (Fotograf unbekannt, Aufnahme von 1926, bpk-Fotoarchiv Nr. 20007729)

Gleichzeitig strahlt das Viertel, zumindest in dem Gemälde von Johannes Hänsch aus dem Jahre 1927, jenen Glanz aus, der gemeinhin für die „goldenen Zwanziger“ gilt, in denen das Lützow-Viertel und das angrenzende Tiergartenviertel das Mekka der Künstler, Kunsthändler und Kunstsammler war, aber eben auch Geschäfts- und nicht mehr vor allem Wohnviertel (Bild 5).

Bild 5: Die nord-westliche und nord-östliche Ecke der Kreuzung mit Blick in die Potsdamer Strasse. Gemälde von Johannes Hänsch 1927 (Stiftung Stadtmuseum, Inv. Nr. GEM 68/14 mit freundlicher Genehmigung).

Als der Zweite Weltkrieg dann vorbei war, in den die Nationalsozialisten die Welt gestürzt hatten, war auch das Leben an der Kreuzung erloschen, wie Luftaufnahmen aus den 50er Jahren zeigen (Bild 6). Sie blieb für viele Jahre eher trostlost, erst nach der Wiedervereinigung und insbesondere in den letzten 10 Jahren scheint sich die Kreuzung und das Viertel langsam zu erholen – aber so, wie es einmal war, wird es sicherlich nicht wieder werden.

Bild 6: Luftaufnahme der Kreuzung von 1954, oben links das Elisabeth-Krankenhaus.. Auf dem unten links geräumten Gelände stand 100 Jahre zuvor das Einzelhaus in Bild 1 (Quelle: https://fbinter.stadt-berlin.de/luftbilder/1954_sl_pan/1954_sl_2093_pan.jpg, gemeinfrei).

Paul Enck

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