Lia fragt: Was weiß Du über den Brunnen in der Genthiner? Paul: Was für einen Brunnen? – Lia schickt ihr Bild (Bild 1). Paul: Ah, den Narziss im Begaswinkel; ich weiß zwar noch nicht, wer den Brunnen gemacht hat, aber ich habe so eine Vermutung.
Man/frau geht leicht daran vorbei, nicht zuletzt, weil der Zugang wenig attraktiv gestaltet ist: Eine Tordurchfahrt mit vielen Schlaglöchern, die das Betreten schwierig machen, hineinfahren möchte man eh nicht. Dabei hat es der Begas-Winkel in sich: heute: Genthiner Straße 30A bis K, ursprünglich Genthiner Straße 13, Villa A bis Villa K. 1936 wurde die Straße unbenannt in Woyrschstraße und die Nummerierung wurde geändert; 1948 wurde sie wieder zur Genthiner Straße, aber die neue Zick-Zack-Nummerierung blieb.
Vom gleichen Architekten Ernst Klingenberg (1830 – 1918) geplant und errichtet, der auch die (später Mercatorhöfe genannte) Villensiedlung an der Potsdamer Straße verantwortete (siehe unser Spaziergang in mitteNdran vom 4.1.2022); diese wie jene eine exklusive Wohnstraße, 1872/73 errichtet für das gehobene Bürgertum, wie die Berliner Adressbücher bis zum zweiten Weltkrieg ausweisen. Von Anfang an dabei: die Familie Begas, das heißt der Maler Adalbert Begas (1836-1888) und seine ihn um viele Jahre überlebende Frau, die Malerin Luise Begas-Parmentier (1843-1920) (Bild 2).
Adalbert war der jüngere Bruder des Bildhauers Reinhold Begas (1831-1911); zwei weitere Brüder, Karl (1845-1916) und Oskar (1828-1883), waren ebenfalls Künstler, Bildhauer der eine, Maler der andere. Ihr Vater war der Maler Carl Joseph Begas (1794-1854) (1), der aus Belgien kam und sich ursprünglich Begasse schrieb, seinen Namen aber nach einem Studienaufenthalt in Italien „germanisierte“, als er nach Berlin zog und 1825 ein großes Haus in der Kolonie „Am Karlsbad 10“ bezog. Ein großes Haus war auch nötig, nicht nur wegen der Malerei: Zwischen 1826 und 1845 kamen insgesamt 10 Kinder zur Welt (davon 2 Mädchen), die allerdings nicht alle das Erwachsenenalter erreichten. Als die Kinder erwachsen wurden, zog der eine, Reinhold, in die Stülerstraße 4, im Tiergartenviertel auf der anderen Seite des Landwehrkanals, und Karl der Jüngere zog nach Köthen in Sachsen-Anhalt, während Oskar in seinem Elternhaus Am Karlsbad 10 verblieb und das Atelier weiterführte, nachdem sein Vater früh verstorben war. Adalbert zog 1874 in die Villa in der Genthiner Straße, die, kommt man heute in den Begas-Winkel, das zweite Haus links ist (30i) und gerade renoviert wird. Dort lebte er bis zu seinem Tod 1888; seine Witwe aber führte das Haus für mehr als 30 Jahre weiter und zelebrierte hier das, was man einen künstlerischen Salon nannte: Sie empfing hier das „who is who“ der kaiserlich-deutschen Kunst- und Kulturszene und bewirtete sie mit Spagetti, wenn man manchen Geschichten Glauben schenken mag. Eine sicherlich realistische Einschätzung dieser Gesellschaften lieferte Walter Clairmont (1868-1958), Doktor der Chemie, in einem Brief vom 15.12.1895 an seine Mutter in der Schweiz:
„Denke Dir eine Gesellschaft von circa 15 – 20 Köpfen seit 6 Uhr beisammen durch ein zweifellos gutes diner erheitert, dessen Abglanz noch von allen Gesichtern zu lesen war, jedes Mitglied auf irgend einem rechten oder fictiven Weg mit der Kunst liiert & in diese leiblich und geistig aufgeregte Menge trete ich um ½10 Uhr mit aller Fabriks-nüchternheit. Frau Begas meint es wirklich gut mit mir, sie setzte mich in einen Topf blauen Blutes. – Es ist interessant wie sie ihre Bekannten classifiziert. Letztes Mal die künstlerische Bourgeoisie, heute die oberen Zehntausend, denen als Lockspeise einige illustre Namen vorgesetzt wurden; mit welchem Rechte ich dort wandelte ist mir eigentlich unklar….“ (2).
Bei so viel Kunstverstand im Begas-Winkel wundert es, dass bis heute unbekannt ist, wer die hübsche Brunnenskulptur des „Narziss“ geschaffen hat, die mitten auf dem Wendeplatz der Straße steht – selbst das Berliner Denkmalamt, das die verbliebenen 6 Villen der Anlage schützt, kann hier nur bescheidene Auskünfte geben: vermutlich seit etwa 1880 an ihrem Ort, nach dem Krieg (1962) von einer Firma (?) Kübe & Starke rekonstruiert (kopiert), mehr ist aus der Denkmaldatenbank nicht zu erfahren; hier wartet noch ein kunsthistorisches Rätsel auf seine Lösung, über das selbst Narziss zu grübeln scheint (s. Bild 1).
Literatur
- Irmgard Wirth. Die Künstlerfamilie Begas in Berlin. Veröffentlichung des Berliner Museums, Berlin 1968.
- zitiert nach: http://www.navigare.de/hofmannsthal/abend.htm