Gastbeitrag von Paul Enck www.paul-enck.com
Lia sagt: Außerhalb des Parks (Tiergarten) findet man in Tiergarten-Süd kaum Spuren aus der Welt vor 1830 (Bild 1) – Stimmt, Lia, aber das liegt weniger daran, dass hier viel zerstört wurde, sondern daran, dass hier nichts war vor 1830, selbst der Landwehrkanal war ursprünglich nicht mehr als ein Entwässerungsgraben zwischen Wiesen und Feldern, als Schifffahrtskanal wurde er erst 1848 ausgebaut. Und wo nichts war, kann auch nichts übrigbleiben. Der Name vielleicht: „Am Carlsbad“ hieß die Straße seit etwa 1830, das Bad war älter.
Wir sind hier in „Ostelbien“, dem Land jenseits der Elbe, das die Römer nie betreten haben und wo sich die wilden Germanen mit den noch wilderen Slawen im Osten um Besitz und Einfluss geschlagen haben. Für kulturelle „Überbleibsel“ – Häuser, Paläste, Burgen und Schlösser – kam erst nach der Befriedung die Zeit, und sie wurden durch fortwährende Kriege im 18. Jahrhundert einerseits und Expansion und Wachstum im 19. Jahrhundert andererseits oft zerstört.
Aber es gibt natürlich ältere Spuren in der Umgebung. Etwas weiter südlich, da wo heute der Heinrich-von-Kleist-Park ist, war immerhin seit 1679 zunächst ein Hopfengarten, dann ein Küchen- und Obstgarten zur Versorgung des Berliner und Charlottenburger Schlosses und seit 1809 schließlich der Botanische Garten, in dem der Dichter Adelbert von Chamisso (1781-1838) der zuständige Kustos der Pflanzensammlung (Herbarium) war. Der Garten wurde erst 1889 viel weiter südlich nach Steglitz verlegt. Und die Kirche im Dorf Alt-Schöneberg und der dazugehörige Friedhof sind auch recht alt für hiesige Verhältnisse (Bild 2):
Baubeginn der jetzigen Kirche war 1764, nach dem siebenjährigen Krieg (1756-1763), in dem die Vorgängerkirche zerstört worden war. Eine Grabplatte an ihrer Wand ist auf 1718 datiert. Archäologische Ausgrabungen in Schöneberg ergaben Funde aus der Vor- und Frühgeschichte, urkundliche Nachweise Schönebergs reichen zurück bis ins 13. Jahrhundert (1). Um 1750 wurden böhmische Siedler unter anderem zwischen Schöneberg und Berlin angesiedelt (etwa da, wo der alte Botanische Garten war), so wie in Rixdorf (Neukölln), wo man diese Siedlung heute noch in Teilen sehen kann.
Nicht weit östlich des Lützow-Viertels, am Halleschen Tor, kann man die Friedhöfe der verschiedenen Kirchen in Berlin noch sehen, auch die Reste des böhmischen Friedhofs, die dort seit 1735 sind, als sie aus der Stadt ausgelagert wurden vor die Stadtmauer. Das älteste erhaltene Grab ist von 1785: Hier ruht Friedrich Wilhelm von Lüderitz (1717-1785), preußischer Oberst und Landjägermeister. Im Westen des Lützow-Viertels war das Gelände des heutigen Zoos das frühere königliche Fasanenrevier (Fasanerie), das erst 1840 zum Zoologischen Garten umgebaut wurde. Man muss aber im heutigen Berlin schon graben, um auf sehr alte Strukturen zu stoßen: Am Molkenmarkt (von hier aus vor dem Roten Rathaus) wurden vor wenigen Monaten bei Ausgrabungen die Bohlen einer mit Holz befestigten Straßenanlage, ein sogenannter Knüppeldamm, ausgegraben, der 800 Jahre alt war – dann fotografiert und auch gleich wieder zugeschüttet (2).
1. Wilhelm Feige: Rings um die Dorfaue. Ein Beitrag zur Geschichte Schönebergs. Verlag Theodor Weicher, Berlin/Leipzig 1937
2. https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/archaeologie/bodendenkmalpflege/grabungen/grabung-am-molkenmarkt/