Gunter Demnig verlegt Stolpersteine für Ossip und Gertrud Schnirlin

 

Ossip Schirlin war einer der größten Violinvirtuosen seiner Zeit im jungen 20. Jahrhundert. Bewundert und geschätzt konnte er selbst einigen schwergewichtigen Werken des großen deutschen Komponisten Max Reger zum Durchbruch verhelfen, wie etwa der „Suite im Alten Stil“ opus 93, die Schnirlin gemeinsam mit Max Reger (am Klavier) bei der Uraufführung am in Berlin am 07. April 1906 aus der Taufe hob. Schnirlin war auch gemeinsam mit Prof. Ernst Haeckel der letzte Musiker, der mit Max Reger am Ostermontagabend in Jena im Trio musizierte. Nur 17 Tage später starb der größte Komponist mit 43 Jahren überraschend in einem Hotelzimmer in Leipzig. Dies alles – und noch mehr – ist nachzulesen in der 2016 erschienen Biographie „Max Reger – Werk statt Leben“, verfasst von Prof. Dr. Susanne Popp (Max-Reger-Institut Karlsruhe), die der Veranstaltung ihre Grüße übermitteln ließ.

Doch das Naziregime kannte mit seinem Judenhass und den daraus resultierenden Rassegesetzen keine Gnade. Auch Gertrud, Schnirlins Frau, Konzertpianistin und Musikwissenschaftlerin, konnte ihren Mann nicht retten. Die Versuche das Paar Ende der dreißiger Jahre noch in die USA in Sicherheit zu bringen, scheiterten. „Die Natur spricht nicht mehr zu mir,“ sagte Ossip Schnirlin im Sommer 1939 als die Lage immer bedrückender und aussichtsloser wurde. Schon zwei Jahre zuvor hätte er seine wertvolle Violine aus Not verkaufen müssen. In einem Hotel am Anhalter Bahnhof nahmen die Schnirlins am 29. Juni 1939 gemeinsam eine Überdosis eines Schlafmittels ein, um ihren Leben ein selbstgewähltes Ende zu setzen. Bei der Auffindung der beiden atmete Gertrud Schnirlin noch, sie verstarb aber dennoch einige Tage später am 3. Juli im Krankenhaus.

In einer würdevollen Veranstaltung mit 18 Familienangehörigen, vielen Interessierten und musikalischer Umrahmung durch den Berliner Cellisten Fritz Zumkley wurden am Samstag, den 08. Oktober 2022 in der Pohlstraße 60 von Gunter Demnig zwei Stolpersteine für die Schnirlins verlegt. Organisiert wurde das Projekt durch die Stolperstein Initiative Berlin Mitte (vertreten durch Hannelore Stippel) und die Initiative „Jüdisches Leben und Widerstand in Tiergarten Süd“: Gabriele Hulitschke verteilte weiße Rosen an die Anwesenden, die bei den Steinen abgelegt wurden. Die SPD Tiergarten Süd war durch die beiden stv. Vorsitzenden Josy Buyny und A. Poscharsky-Ziegler vertreten.

Achim Teßmer verstand es in seiner Rede zum Leben der Schnirlins aus den reichen und schriftlich niedergelegten Erinnerungen von vier Familienangehörigen (etwa dem Bruder Gertrud Schnirlins, Arnold Brecht) ein lebendiges Bild des Musikerpaares zu erschaffen. Ein einziger unter den Anwesenden war dem musikalischen Ehepaar persönlich begegnet: Klaus Lutze (95 Jahre) wurde als Kleinkind bei einem Familientreffen auf dem Gut in der Neumark von Großtante Gertrud und Großonkel Ossip Schnirlin „bewundert und begutachtet“ – aber er kann sich selbstredend nicht daran erinnern.

 

2 Kommentare

  1. Ich bin sehr gerührt, das hier zu lesen. Gertrud Schnirlin ist meine Urgroßtante. Ihren Bruder, Arnold Brecht, habe ich sogar noch gekannt, wir waren mit meiner Mutter im Jahre 1972 oder 1973 während seines Aufenthaltes in der Pension Biederstein in München bei ihm zu Gast. Vielen Dank für diese Initiative.

    • Liebe Frau Rücker, vielen Dank für Ihre Mitteilung. Wir freuen uns immer sehr, wenn unsere ehrenamtliche Arbeit wahrgenommen wird. Wir kümmern uns auch um die Reinigung der Stolpersteine.
      Viele Grüße von der Redaktion mittendran

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