Stolpersteinverlegung
in der Pohlstraße

Am kommenden Samstag (8.10.22) werden um 11:15 Uhr in der Pohlstraße 60
die Stolpersteine für Ossip Schnirlin und Gertrud Schnirlin verlegt.

Die Organisation der Verlegung erfolgt durch die Stolperstein Initiative Berlin Mitte. Die Initiative Jüdisches Leben und Widerstand in Tiergarten hat zur Teilnahme am Gedenken aufgerufen.
Gunter Demnig, Initiator der Stolpersteinverlegungen, wird die Steine persönlich verlegen.
Familienangehörige werden reden und musikalisch wird Cellomusik das Gedenken begleiten.

Ossip und Gertrud Schnirlin kurz vor ihrem Tode (Foto:privat)

Ossip Schnirlin und seine Ehefrau Gertrud waren beide als Musiker / Musikwissenschaftler tätig und haben das musikalische Leben in Berlin mitgeprägt.

Ossip Schnirlin wurde am 3.3.1868 in Proskurow / Chmelnyzkyj in der Ukraine geboren. Sein Vater war Judko Schnirlin, seine Mutter Chane Schnirlin geb. Feige.
 
Er war Schüler des Violinisten Joseph Joachim, trat als Solist in vielen Konzertsälen auf und war nach einer Fingerverletzung auch verstärkt als Musikpädagoge und Herausgeber von Geigenliteratur tätig. 1906 wurde er bekannt durch die Uraufführung der „Suite im alten Stil“ von und mit Max Reger. Schnirlin spielte die Apollo-Stradivari, die er bis 1937 besaß. Bedingt durch die antisemitische Verfolgung in Deutschland und das damit verbundene Auftritts- und Publikationsverbot, war er gezwungen das Instrument an den Geigenhändler Emil Hermann (New York) zu verkaufen.
In dieser Zeit waren Käthe Kollwitz und ihr Mann Karl enge Freunde und Nachbarn des Paares.
Wichtige Veröffentlichungen Schnirlins waren Bearbeitungen von Quartetten, Quintetten und Sonaten von Johannes Brahms und Max Reger. 1925 veröffentlichte er sein Hauptwerk in drei Bänden: “Der neue Weg zur Beherrschung der gesamten Violinliteratur“.
 
Am 14. April 1924 heiratete Ossip Schnirlin Gertrud Brecht.
 
Gertrud Schnirlin geb. Brecht wurde  am 23.7.1885 in Lübeck geboren. Sie war die Tochter von Ernst Walther Brecht und Marie Brecht geb. Weishaupt. Gertrud war die jüngere Schwester von Arnold Brecht (bis 1933 Vertreter des Landes Preußen im Reichsrat),  der 1939 noch vergeblich versuchte, das Paar nach Amerika in Sicherheit zu bringen.
Gertrud machte in Lübeck Abitur und studierte Musikwissenschaft in Berlin. Als Pianistin war sie  Schülerin von Edwin Fischer. Sie interpretierte mit Vorliebe Chopin und Brahms und arbeitete auch als Klavierlehrerin. Sie heiratete 1924 den jüdisch-russischen Violinvirtuosen Ossip Schnirlin. Beide ließen sich in Berlin in der Steglitzer Straße (heute Pohlstraße) nieder. Spätestens nach den Nürnberger Rassegesetzen (1935) der Nationalsozialisten mussten sie mit verstärkter Verfolgung und Verhaftung rechnen.
Verzweifelt an der Aussichtslosigkeit ihres Lebens beschlossen sie gemeinsam, in einem Hotel in der Nähe des Anhalter Bahnhofs ihrem Leben durch die Einnahme einer Überdosis eines starken Schlafmittels ein Ende zu setzen. Ossip starb dort am 29.6.1939.  Gertrud wenige Tage später am 3.7.1939. Ihre sterblichen Überreste wurden auf dem Waldfriedhof Stahnsdorf beigesetzt.

(Foto und Text zur Verfügung gestellt von Achim Teßmer)

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