Der 20. Juli ist ein Tag des Gedenkens – des Gedenkens an den Widerstand, den deutsche Mitbürger*innen gegen die skrupellosen Nazi-Schergen Hitler-Deutschlands leisteten. In unserem Kiez erinnert die Gedenkstätte Deutscher Widerstand auch in diesem Jahr wieder an diesen Widerstand (wir berichteten). In unserem Kiez denken wir zuerst an den Freiheitskämpfer Graf von Moltke. Aber es gab noch viele andere:
Erwin Reisler (* 1911) zählte zu den aktiven Resten der alten Arbeitersportler im Norden Berlins. Er und seine Freunde mußten miterleben, wie einer ihrer begabtesten Mitkämpfer, der Feldwebel Cäsar Horn, durch die Zerschlagung der Saefkow-Gruppe in die Hände der Gestapo gekommen war. Cäsar Horns militärisches Wissen, seine Verbindungen und nicht zuletzt seine große Persönlichkeit waren von unverzichtbarem Wert.
Nun sollte ihm am Volksgerichtshof in der Bellevuestraße 15 der Prozess gemacht werden. Einige mutige Mitkämpfer waren willens, ihm zu helfen. Sollte sich die Chance zur Befreiung ergeben, hatten die Freunde im nahen Tiergarten Waffen versteckt, um sich den Fluchtweg notfalls freischießen zu können. Erwin Reisler (1911-1996) erinnert sich 1992 an Hand von geheimen Tagebuchaufzeichnungen: [Oktober 1944] „Es ist Cäsars zweiter Prozeß. Ich habe den Auftrag der Partei, am Prozeß teilzunehmen. Ich begleite Cäsars Frau (S. 136). Mir ist nicht wohl bei der ganzen Geschichte. Ich soll in der Verhandlungspause, wenn die Häftlinge in den Aufbewahrungsraum geführt werden, mit Cäsar und dem mitangeklagten Genossen Werner Deckers ein Gespräch führen. Die Häftlinge bewachte nicht die SS, sondern hier hatten Moabiter Wachtmeister die Aufsicht. Wir hatten auch nicht die Hoffnung aufgegeben, einen Teil der verhafteten Genossen zu befreien … Als sich die Tür in der Bellevuestraße hinter uns schloß, glaubte ich nicht mehr daran, dieses Gebäude wieder als freier Mann verlassen zu können. Die Genossen freuten sich mächtig, als sie uns sahen…. Sie zeigten im Prozeß eine tapfere Haltung. Cäsers Folterknecht, der hier als Zeuge geladen war, interessierte sich für mich. Er befragte Cäsars Frau, lrmgard Horn, in der Pause, wer ich wäre. Sie wies mich als ihren Schwager aus. Wenn er wüßte, daß ich ,Aiex‘ (Deckname) bin! Aber auch der Apparat der Gestapo funktionierte nicht mehr. Es kommt nicht zur Aussprache mit Cäsar. Die Anwesenheit des Gestapomannes läßt die Moabiter Leute viel sorgfältiger acht geben. Der Verteidiger gibt sich alle Mühe. Es soll ein Deutschnationaler sein. Werner Deckers erhält 7 Jahre Haft. Cäsar soll nach dem Willen dieses Volksgerichtshofes sein Leben lassen. Wir atmen auf, als wir die Zwingburg in der Bellevuestraße verlassen können. Wir sind andererseits tieftraurig. Unsere einzige Hoffnung für Cäsar und alle unsere zum Tode verurteilten Genossen bleibt das Vordringen der Sowjetarmee. (Quelle: Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Mitte und Tiergarten)
Diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Horn wurde am 23. Januar 1945 vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilt und am 19. März 1945 in Brandenburg-Görden mit dem Fallbeil ermordet.