In den Jahren 2018 und 2019 belegte Finnland den ersten Platz im World Happiness Report. Doch die breit angelegte Ausstellung „Mostly happy – Finnish Art Today“ beweist durch die Arbeiten der 10 vertretenen Künstler*innen, die just in dieser Zeit entstanden sind, dass es dennoch Brüche und Risse gibt – und die große Sehnsucht nach der heilen Welt, die -erstaunlicherweise – auch vor dem Kitsch kein Halten kennt. Wer Kitsch braucht, will der Welt entfliehen, die selbst in Finnland offensichtlich doch nicht so „happy“ ist.
Mit Unterstützung durch das Finnland Institut Deutschland begegnet der Betrachter im Haus am Lützowplatz einer Vielzahl von Techniken: vom gerahmten Bild an der Wand, der Kleinskulptur, über das Video bis hin zur Filmvorführung im Séparée.
Bei zwei Arbeiten fallen die ungewöhnlichen Bildträger auf: Kupfer und Messing. In seiner schwarz-weißen Trilogie „Wanderer“ (Öl auf Kupfer) entführt Kari Vehosalo in die Welt des Heimatfilms. Drei verträumte Liebespaare werden durch grandiose Bergpanoramen erschüttert. Handwerklich sind die Stücke hervorragend ausgeführt. Auf Messing (Größe 2 Meter mal 3 Meter) stellt Toni R. Toivonen ein barockes Thema, die Vergänglichkeit, dar: den Corpus eines verwesenden Pferdes, quasi in Lebensgröße. Ohne das wertvoll Gold schimmernde Material wäre die Darstellung wahrscheinlich unerträglich, obwohl der Verfall noch nicht all zu weit fortgeschritten ist.
Zum „Mädchen auf Seite 1“ wurde für das Ausstellungsplakat der Inkjetprint „Cindy“ von Aurora Reinhard gewählt. Der Colgate-Zahnpasta-Werbemund sticht einem als Erstes ins Auge bei dieser Fratze der Dämonen-Barbie. Eine, die mit ihrer vermeintlich perfekt gestylten Schönheit alles in Frage stellt, was die Kosmetikindustrie uns Frauen als schön und notwendig anpreist. Gegen Cindy wirken selbst die Maskierten der Bildserie „Camouflage“ von Hannaleena Heiska geradezu natürlich zurückhaltend, das liegt auch an der immer edel wirkenden Malweise von Pastellkreide auf Papier.
Mit 25 Papierbildern in den Formaten vom Notizzettel bis zum Plakat widmet sich Niina Lehtonen Braun an einer ganzen Wand Frauenthemen und dem Alkoholismus.
Die Schönheit der ungeschminkten finnischen Landschaft, die Kraft, der Frieden und die Ruhe, die von ihr ausgehen, kann man bei Elina Brotherus und ihrem Video „The Black Bay Sequence“ geniessen. Die Künstlerin badet nackt in seinem See, ihre Rückenfigur erinnert an Caspar David Friedrich. Die Szene wiederholt sich über 60 Minuten immer wieder, nur das Licht ändert sich. Hier ist Finnland glücklich. Laura Hirvi, die Leiterin des Finnland Instituts Deutschland, drückte es bei der Vernissage so ähnlich aus: Glück ist …wenn man aufgeheizt aus der Sauna ins kalte Wasser springt, Endorphine den Körper fluten – und ein Schwan vorüber gleitet.
Zu jeder vollen Stunde kann man im Séparée Platz nehmen und lauscht Mozarts „Zauberflöte“ und den Gesängen der Nachtigall. Das Filmthema lautet „Pfaueninsel“ 2016 bis 2019. Der Besucher ist plötzlich unerwartet da, wo er ist: in Berlin. Der Künstler Miklos Gaal war vor drei Jahren Artist in Residence an der Spree und erweist sich als Philosoph und penibler Naturwahrnehmer. Der Pfau schlägt sein Rad. Das Teleobjektiv widmet sich jedem Detail dieser Schönheit ausgiebig.
Was will Miklos Gaal uns damit sagen? Die Pfaueninsel in Berlin – eine heile Welt? Die Suche geht weiter…
Ort: Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, 10785 Berlin
Ausstellungsdauer: bis 11. August 2018
Öffnungszeiten: Di-So, 11-18 Uhr
Am Pfingstsonntag und Pfingstmontag ist von 11-18 Uhr geöffnet.
Website: http://www.hal-berlin.de
E-Mail: office@hal-berlin.de
Fon: 030/261 38 05
Es wird ein Rahmenprogramm geboten:
- Donnerstag, 04.Juli 2019, 19 Uhr, Kuratorenführung mit Dr. Marc Wellmann
- Donnerstag, 08. August 2019, 19 Uhr, Niina Lehtonen Braun im Gespräch mit Julia Rosenbaum